Jüngerschaft - noch aktuell?

Jüngern, zu Jüngern machen...immer noch aktuell?

"Jüngerschafts-Schulen", Jüngerschaftskurse. Bei einigen missionarischen Bewegungen wie "Jugend mit einer Mission" ist dies ein Angebot seit den 60iger Jahren. Andere zogen nach. Heute ist "Jünger schulen" in vielen Gemeinden üblich. Und wird weltweit propagiert, wie von DAWN zum Beispiel.
Daran ist wohl nichts auszusetzen. Weder aus missionarischer noch aus gemeindlicher Sicht. Nur: haben wir den biblisch-richtigen Ausdruck, die neutestamentlich-angepasste Art oder gar die apostolisch-ausgerichtete Zielsetzung damit gefunden?

Die griechischen Worte, die Ausgangslage.

Der Ausgangspunkt ist "Machet zu Jüngern alle Völker (Ethnien)", Matthäus 18,19. Das griechische Wort MATHÄTEUO, das hier gebraucht wird, kommt in Matthäus 3 mal vor, 13,52/27,57/28,19. Dazu 1 mal in Apostelgeschichte 14,21.
Dann MATHÄTÄS, das Nomen dazu, der "Jünger". Es kommt sehr häufig vor. Allerdings nur in den Evangelien und der Apostelgeschichte, nie in den apostolischen Briefen. 1.Vorkommen: Matthäus 5,1 und letztes Vorkommen Apostelgeschichte 21,16.
Die MATHÄTRIA, die "Jüngerin", kommt nur in Apostelgeschichte 9,36 vor. Das Grundwort zu den drei obengenannten ist MANTHANOO. Es kommt 25 mal vor: 6 mal in den Evangelien, 1 mal in der Apostelgeschichte und 18 mal in den apostolischen Briefen. Grundsätzliche Bedeutung: "lernen".

Herkunft des deutschen Wortes "Jünger".

Mittelhochdeutsch "Junger", althochdeutsch "Jungiro". Der Komparativ von "jung" ( = jünger ) diente zur Lehnübersetzung vom lateinischen "junior" = "jünger". Nach Kluge-Lexikon auch: Schüler, Untergebener. In neuerer Zeit vor allem für das kirchen-lateinische "discipulus" verwendet ( englisch / französisch "disciple" ). Der dem Jünger verwandte Name "Junker" bedeutet "jüngerer Herr". Luthers Schutzname in der Wartburg-Zeit war Junker Jörg.

Jünger: Hatten die Apostel etwas gegen diesen Ausdruck?

Die grosse Frage ist, warum die Apostel auf diesen Ausdruck verzichteten? Sie wurden doch selbst von Jesus so benannt!Oder - Frage derer, die bei Bibeltexten an die Inspiration des Heiligen Geistes glauben - wieso hat Gott auf diesen Ausdruck in den Briefen verzichtete?
Wieso wurden viele andere Worte statt "Jünger" benutzt?
Einige Beispiele:
• Geliebte (Philipper 4,1)
• Zeuge (Apostelgeschichte 1,8)
• Mitarbeiter (Römer 16,3)
• Mitstreiter (Philipper 4,3)
• Gehilfen der Wahrheit (3.Johannes 8)
• Heilige (1.Kor,1,2)
• Geheiligte (1.Kor.1,2)
• Ackerfeld, Domäne, Hausbau (1.Kor. 3,9 und 14,3)
• Haushalter (1.Kor.4,1)
• Knechte (Sklaven), Galeerensklaven (Römer 1,1/1.Kor 4,1)
• Glieder am Leibe Christi (1.Kor.12,27)
• Geschwister, Bruder, Schwester (Römer 1,13/1.Kor.1,1/Römer 16,1)
• Nachahmer (1.Korinther 11,1)
• Kindlein, Kinder, Jünglinge, Väter (1.Johannes 2,12-14)

Dazu kommen Vergleiche zu einem Soldat (Epheser 6,10-18). Oder zu einem Sportler (1.Korinther 9,24-27). Oder zu einer Jungfrau (2.Korinther 11,2). Alle diese Benennungen, diese Vergleiche! Aber "Jünger" findet sich nicht mehr.

Der Missionsbefehl. Ein Befehl?

Es ist erstaunlich, wieviele Gemeinden und Missionen sich den Matthäus-Schluss aus Kapitel 28,19 als Motto ausgesucht haben. Sie denken, es sei ein "Befehl", wenn sie auf deutsch denken. Denken sie englisch, ist eine eine "commission", ein Auftrag. Denken sie französisch, ist es weder-noch. Dort scheint es keinen gebräuchlichen Ausdruck für den Matthäus-Schluss zu geben.
Die meisten deutsch und englischsprachigen Missionsfreunde stützen sich also auf den Matthäustext. Und somit mit dem Verständis eines "Befehls"!

Weitere "missionarische" Texte.

Der nächste beliebte Text kommt aus dem Markus Schluss, ab 16,15-18. Weit weniger wird der Lukas Schluss, Kapitel 24,47-48 gewählt. Und nur selten hört man den vielleicht wichtigsten "Missionsbefehls -Text" aus dem apostolischen Teil des NT, nämlich den von Paulus im 2.Korinther 5,16-21.Vielleicht weil seine Aufforderung, ein Botschafter Christi zu sein, nicht als klarer "Befehl" formuliert ist?

Diese Missionsbefehle oder Aufforderungen - was spricht dafür, was dagegen?

Fangen wir beim Markustext an: Dieser steht nicht in den besten Handschriften und ist ein späterer Zusatz. Er kommt somit nicht in Frage bei Bibelfreunden, die es genau nehmen.
Der Lukastext spricht den Leser sehr an, zumal er in der Apostelgeschichte mit 1,8 fortgesetzt wird. Auch hat sich diese Aussage über das Zeugen - sein seit bald 2000 Jahren bewahrheitet: "bis an das Ende der Erde", griechisch: "bis zum letzten (Ort) der Erde". Von den Aussagen der Evangelien wäre Lukas wahrscheinlich die beste Motivierung zum Evangelisieren.

Und der Matthäus-Text, den fast alle auswählten?

Dieser ergibt weitere Probleme beim genauen Betrachten. Warum? Weil er NATIONEN (oder gr. "Ethnien", also Volksgruppen) wie einen einzigen Menschen ansieht. Alle Nationen sollen zu Jüngern gemacht werden, also in die Nachfolge Jesu gerufen werden. So wie es die Jünger Jesu erlebten und so wie sie es persönlich taten, als PERSONEN, Sie hatten einen persönlichen Meister oder König mit sich, sie hörten ein bindendes Gesetz von ihm, sie hatten Korrektur, sie erlebten persönlich Glaubenssiege und - Glaubensniederlagen zu ihrer Erziehung. Wenn eine NATION es so erleben soll, muss sie auch einen König und ein bindendes Gesetz des Königs haben.
Und genau dies war seit Jesu Zeit nie der Fall. Und dies wird es auch vor seiner Wiederkunft nicht geben. Danach aber sehr wohl! Danach wird das Gesetz von Zion ausgehen...siehe Jesaja 2,2-4 als Paradetext. Israel wird als Volk das "Missionsvolk" für alle Völker werden und seinerseits von den 12 Aposteln regiert, die auf "Thronen" sitzen werden (Matthäus 19,28), als verherrlichte Menschen mit dem verherrlichten König Israel, Jesus Christus. Das AT kennt den Gedanken, dass EIN Mensch wie eine NATION behandelt wird - oder umgekehrt (vergl. Jesaja 43,3-4 oder Psalm 87,4-6). Im Israel zu Josuas Zeit konnte EIN Sünder das ganze Volk ins Unglück stürzen, siehe Achans Geschichte in Josua 7. Im kommenden Äon muss ein ganzes Volk gehorsam sein, wenn es nicht gestraft werden will - Sacharja 14,16-19.
Nun, eine wesentliche theologische Sicht des Matthäus 28,19 Text bezieht sich somit auf den kommenden Äon, wenn er auch umgesetzt werden kann. Es ist also zumindest fraglich, ihn auf heute zu übernehmen. (Dass er dennoch UNTER den Nationen seit fast 2000 Jahren "Jünger" bescherte, spricht für die Gnade Gottes, nicht für die Gültigkeit des Textverständnisses).

Wer jünger ist, braucht jemanden, der älter ist. Oder - ein Jünger hat immer einen Meister!

Kommen wir zu einem anderen Punkt. Vielleicht sogar einer der Hauptgründe, warum der Jünger im NT verschwindet:
Der Meister steht nicht mehr vor uns!
Nein, der Meister kommt IN uns HINEIN, in der Person des Heiligen Geistes. Das "Gefälle", sich Jesus VOR den Jüngern stehend vorzustellen, entwickelte sich zu Jesus IN den Gläubigen. Somit ist es kein Gefälle mehr. Es ist so als "Meister-Schüler" nicht mehr klassifizierbar.
1.Korinther 5,16 - der Anfang der apostolischen Missionsaufforderung, der bis Vers 21 geht - beginnt mit "..wir kennen von nun an niemand nach dem Fleische, wenn wir aber auch Christus nach dem Fleische gekannt haben, so kennen wir ihn doch jetzt mehr also (auf diese Art und Weise)".
Jesus Christus ist keine "natürliche" Person mehr. Sondern eine Person, die seinen Leib baut, zurichtet. Er das Haupt, wir die Glieder. Wir sind eine Art "korporierte Person" mit ihm. Darum sollte es unter uns kein Standesgefälle geben, sondern eine Gleichheit der Glieder, die sich nach Gaben (Epheser 4,8-13 / 1.Petrus 4,10) orientiert und in der Liebe zueinander ( Epheser 4,15 / Johannes 13,34).

Wachstumsstufen des Glaubens.

Es besteht kein Zweifel daran, dass es unter den Gläubigen Unterschiede in Berufung und Reife gibt, das ändert aber nichts daran, dass wir uns alle auf derselben Ebene befinden.
Jesus selber sagt uns das in Matt. 23,8: "Einer ist euer Meister / Lehrer, ihr alle aber seid Brüder."
Interessanterweise sagte Jesus nicht: "Einer ist euer Meister, ihr alle aber seid Jünger." Das würde man doch erwarten. Aber er stellt uns nicht in eine Jüngergemeinschaft, sondern in eine Brüdergemeinschaft.
In der kurzen Zeit, in der Jesus auf dieser Erde lebte, scharte er Menschen um sich in der Art, wie es damals Meister mit ihren Jüngern taten. In Matt. 10,24+25 bestätigt Jesus das. Aus dieser Bibelstelle wird auch ersichtlich, dass ein Jünger höchstens auf die gleiche Ebene kommt wie sein Meister nicht aber über ihn hinaus.
Eine Jüngergemeinschaft ist auf den Meister ausgerichtet. Die Jünger hatten alle eine besondere Beziehung zu Jesus, aber nicht zwangsläufig zu den Mitjüngern. So lesen wir einiges von Streitereien, Konkurrenzdenken und wenig oder nichts von Fürsorge, Verantwortung und Liebe unter den Jüngern selber.
Nun war es offensichtlich nicht Jesu Absicht, seine Gemeinde als Jüngergemeinschaft zu bauen. Das wäre zu wenig gewesen. Die Gemeinde sollte mehr sein, eine andere, bessere Qualität aufweisen. Und darauf wies er bereits hin, indem er die Jünger als Brüder und nicht als Jünger bezeichnete. (Matt. 23,8)

Interessant ist auch der Zusammenhang, in dem Jesus diese Aussage machte. In Matt. 23,1-15ff redet Jesus eigentlich von den Gefahren, die eine Meister – Jünger Beziehung in sich birgt! Er deckt den Missbrauch auf, den sich die Pharisäer und Schriftgelehrten auf diesem Gebiet leisteten, indem sie ihren Jüngern, den Menschen in ihrem Einflussbereich, schwere Lasten aufbürdeten und sich selber gross und wichtig machten, ihr Ego pflegten und ihr eigenes Reich bauten. Sie missbrauchten die Jünger zu eigenen Zwecken und verhinderten dadurch erfolgreich, dass sie in das Reich Gottes eintreten konnten.
Deshalb wollte Jesus wohl nicht, dass seine Leute sich Meister, Lehrer oder Vater nennen, damit sie nicht in dieselbe Falle geraten. Die Leute, die zu Jesus gehören, sollen nie vergessen, dass sie nur einen Meister und Lehrer haben, nämlich Jesus Christus und dass der wahre Vater der Vater im Himmel ist.
Diese Gefahr des Missbrauchs einer Meister – Jünger Beziehung ist heute noch genau so aktuell wie damals. Im Laufe der Kirchengeschichte kam es oft vor, dass ein Gläubiger zu einem Meister wurde, der Jünger um sich scharte, um dann auf Kosten dieser Jünger sein eigenes Reich zu bauen. Von diesen Meistern ging ein bindendes Gesetz aus auf ihre Jünger, und die Jünger wurden bei nichtbefolgen des Gesetzes korrigiert durch Manipulation und Kontrolle. Auf diese Weise wurde das Reich Gottes gehindert und verhindert.
Macht man als Christ Jünger, muss man sich vor der Gefahr des Herrschens in Acht nehmen.
Eine weitere Gefahr besteht darin, dass die Jünger die menschlichen "Meister" nachahmen und seine Kopien werden, denn ein Jünger wird höchstens wie sein Meister. (Matt. 10,25) Die Gefahr besteht also, dass der Jünger nicht erwachsen im Glauben wird, nicht reif, nicht selbständig und keine vom "Meister" unabhängige Beziehung zu Jesus entwickelt.
2.Kor. 3,18 / 1.Mose 1,26+27: Wenn es um Jesus geht, dann sollen wir werden wie er. Wir sind auf ihn ausgerichtet und wir werden verwandelt in sein Bild, denn wir sind nach seinem Bild geschaffen. Kein Mensch darf an seine Stelle treten. Kein Mensch, kein anderer Meister als Jesus darf von uns verlangen, dass wir genauso werden wie er. Diese Position gebührt alleine Gott.

Wo gejüngert wird muss immer klar sein, dass nur Jesus allein der Meister ist. Nie darf man der Versuchung nachgeben, sich selber an die Stelle des Meisters zu setzen, denn "wir alle aber sind Brüder"!
Zudem hat auch der unreifste Gläubige den Meister durch den Heiligen Geist in sich selber und ist deshalb letztlich von keinem menschlichen Meister abhängig. Es kann in der Gemeinde kein Lehrer, Meister oder Vater geben, unter dessen Gebote ich mich völlig unterordnen müsste, denn ich als Gläubiger bin in erster Linie Jesus persönlich verpflichtet. Unterordnung gibt es nur "in Christus". Er ist auch in diesem Gebiet der oberste Massstab.

Das Jüngern hat zwar den Vorteil, dass die Gläubigen nicht mehr nur passive Zuhörer von Predigern sind, also nicht nur Publikum, wie es zeitenweise der Fall war, sondern dass sie aktiv werden, weil sie dasselbe einüben und tun dürfen, das sie die Routinierten tun sehen, aber Gemeinde, wie sie Jesus verstanden hat ist mehr:
"Ihr alle aber seid Brüder."

Gemeinde ist keine Jüngergemeinschaft sondern eine Brüdergemeinschaft. Sie ist eine Brüdergemeinschaft die aus Babybrüdern, aus Kinderbrüdern, aus Teeniebrüdern und aus Brüdern, die bereits junge Männer sind besteht, und es gibt darunter natürlich auch solche Brüder, die eine Vaterreife erreicht haben.
Alles sind Brüder, alle befinden sich auf derselben Ebene, aber es gibt Unterschiede in der Reife und in den Gaben und Diensten.

1.Joh. 2,12-14: Johannes spricht die Brüder in ihren verschiedenen Reifegraden an. Interessant dabei ist, dass Johannes keine Hierarchie hineinlegt, indem er den Vätern zum Beispiel sagt, wie sie die Jünglinge leiten müssen, oder indem er die Kinder ermahnt, dass sie den Vätern gehorchen müssen. Johannes deutet nicht einmal ein solches Gefälle an! Er spricht einfach nur jeden Reifegrad mit seiner Besonderheit separat an und schlägt nicht alle über denselben Leist. Durch seine Differenziertheit nimmt Johannes seine Leser ernst.

Wenn man nun nochmals auf den "Missionsbefehl" zurückkehrt und all diese Gedanken im Hinterkopf behält, dann ist Luk.24,47 sehr interessant:
"... und in seinem Namen Busse (Umsinnen) zur Vergebung der Sünden gepredigt wird in allen Nationen ..."

Was sagt da Jesus, dass geschehen wird? Eigentlich sagt er, dass es in allen Nationen Babybrüder geben wird durch das Predigen! Denn Johannes beschreibt die Babybrüder genau mit diesen Hauptmerkmalen in 1.Joh. 2,12: "... dass euch vergeben sind die Sünden wegen seinem Namen."

Luk.24,47 ist eher eine Prophetie von Jesus, die beschreibt, wie es sein wird, als ein Befehl, denn man kann keine bekehrten Menschen machen. Die Gläubigen, die Zeugen, werden predigen (begleitet von den nachfolgenden und bestätigenden Zeichen und Wundern, Mark. 16,15-18) und als Folge davon werden Babybrüder zur Welt kommen durch eine Wiedergeburt. Diese Babybrüder werden dann natürlich genährt, gepflegt, betreut und gefördert vom Rest der Brüdergemeinschaft, entsprechend der Reife und Fähigkeit der andern.
Und im Gegensatz zu Jüngern, die wie ihre (menschlichen) Meister werden und deshalb die Gefahr von Kopien besteht, werden echte Väterbrüder darauf achten, dass die Babybrüder eines Tages auf eigenen Beinen stehen werden, denn die Väter haben das Ziel, die Kinder zur Reife und Selbständigkeit zu bringen, damit sie in eine eigene, selbständige und tragfähige Beziehung zu Jesus hineinwachsen. Die Baby- und Kinderbrüder müssen nicht werden wie die Väterbrüder, sondern das Potenzial, das Gott in sie hineingelegt hat, soll entwickelt werden, und sie sollen lernen, es anzuwenden.

Johannes spricht die verschiedenen Reifegrade mit ihren Besonderheiten in der Brüdergemeinschaft einzeln an. Daraus lässt sich eine differenzierte Schulung ableiten.

Jüngerschafts-Schulung nach 1.Johannes 2,12-14

Hier haben wir ein klares Wort der wachstümlichen Schulung.
Hier steht, in welcher Betonung ein Kindlein im Glauben geschult werden soll. Danach, welcher Schwerpunkt die Kinder und die jungen Erwachsenen brauchen. Die Väter "haben den erkannt, der von Anfang an ist". Welche Breite und Reife an Überblick - welch' ein Anreiz, zum Vater (oder Mutter) in Christo zu werden!
Ohne Schulung, Erziehung, Begleitung läuft nicht viel.
Doch - vielleicht finden wir mehr Formen (und andere Bezeichnungen?) dazu. Vielleicht sind es Formen der Schulung in Gemeinschaft des Standes, die dem Leib Christi mehr Rechnung trägt.

Brauchen wir keine Lehrer mehr?

Manche verstehen 1.Johannes 2,27 so, dass man Lehre nicht benötige, weil einem die Salbung alles lehre. Viele Übersetzungen unterstützen dieses "alles". Der griechische Text spricht aber von "PERI PANTON", was eher mit "betreffs aller" zu verstehen wäre. Der Kontext zeigt, dass es um Verführer geht. Mit der Salbung, die in den Gläubigen bleibt, kann man diese Verführer alle erkennen. Sie leugnen ja den Vater und den Sohn (1.Johannes 2,22) in der Weise, wie sie Johannes in seinen Briefen lehrt.
1.Johannes 2,19-20 zeigt einen ähnlichen Textzusammenhang. Dort heisst es im besten griechischen Text: "...sie (die Verführer) sind nicht alle von uns. Und ihr habt die Salbung von dem Heiligen (Jesus) und kennt alle (somit auch die Verführer)." Man kann auch anstatt "..und kennt alle" anders übersetzen, nämlich: "..und wisst es alle." Aber die Übersetzungsversion "...und wisst alles" führt von der Hauptaussage weg. Wie tröstlich, dass alle die Verführer erkennen können, weil sie die Salbung haben.
Johannes lehrt die Empfänger seines Briefes, wie könnte er sagen, sie bräuchten nicht gelehrt zu werden!

Warum gibt es so viele Christen, die keine glaubensstarken Persönlichkeiten werden?

Hier gäbe es viele, viele Erklärungen. Reduzieren wir die Frage so, dass sie zum Thema dieser Studie passt. Die beste Antwort findet sich in dem, was Jesus zu den Pharisäern im Matthäus 22,29 sagt: "Ihr kennt weder die Schriften, noch die Kraft Gottes." Und sie wären die ersten gewesen, die wenigstens die Schriften (altes Testament) hätten kennen müssen! Sie erkannten das Zentrale nicht: Der Grundgedanke von Liebe und Barmherzigkeit durchzieht das ganze Wort Gottes! Nun, diese Aussage begegnet auch uns Gläubigen heute im Hebräerbrief 5,12-14. Dort ist es klar: durch den praktischen Gebrauch des Wortes Gottes, besonders der "festen Speise", wird man "erwachsen", man lernt Gutes und Schlechtes zu unterscheiden und dringt somit zu den Hauptaussagen der Liebe durch.

Der Schüler-Meister Grund.

Beleuchten wir noch einen anderen Grund. Ein Meister bleibt im Wege stehen, verhindert das Weiterkommen der Schüler, der Jünger. Jesus lehrt in Matthäus 10,24-25, dass ein Jünger höchstens seinen Meister erreichen kann, aber nicht über ihn hinaus wachsen kann. Das heisst: tritt ein Meister beim Lehren nicht immer wieder zur Seite und beachtet das Wachstum des Schülers, blockiert er ihn früher oder später in seinem persönlichen, zu ihm unterschiedlichen Werdegang.
Denn wo steht der "Meister" selbst in seinem Wachstum? Wo blieb er stehen im Jüngerschaftsprozess, den er mit seinem (menschlichen) Meister durchging?
In Gemeinde -und Missionsbewegungen erkennen wir oft eine Erstarrung nach einer schwungvollen Anfangszeit. Die anfänglich vermittelte Lehre hinterlässt einige Zeit gute Spuren. Dann aber - fast unmerklich - erstarrt die Lehre mehr und mehr zum Dogma (feststehender Lehrsatz) und bremst neue Auslegungen, neue Umsetzungen. Bei den Sekten zeigt es sich oft noch klarer, dass das Charisma des Gründers, des "Meisters", die spätere Erstarrung mit entscheidet. Je stärker der Meister, je schwächer sind in ihrer Persönlichkeit die folgenden Meister und gleichen diesen Zustand durch mehr Formalismus aus.

Zurück zu unserem christlichen Alltag.

Hier müsste die "Meisteridee" ständig revidiert werden. "Einer ist euer Meister (Lehrer), ihr aber seid alle Brüder". Dies lehrt Jesus in Matthäus 23,8. Er sagt nicht: "Einer ist euer Meister, ihr aber seid alle Jünger". Diese Wortveränderung fand in unserem Wortgebrauch statt,nicht im NT.
Worte verändern Realitäten. Dies geschah oft im Laufe einer Generation. Erinnern wir uns an die Wortschöpfungen der Studentenbewegung, der 1968er?
Wahrscheinlich nicht, denn sie sind alltäglich geworden und bestimmen - "selbst-bestimmen!" - den Zeitgeist heute.

Gemeinde ist keine Jüngergemeinschaft, sondern eine Brüdergemeinschaft.

Natürlich gibt es Unterschiede in Reife, Erfahrung und Berufung.
Das ändert aber nichts daran, dass wir Gläubige uns auf derselben Ebene "in Jesus" befinden. Er steht nicht mehr vor uns, wie schon obenstehend bemerkt, sondern ist IN uns. So stellt er uns in eine "Brüder/Schwestern-Gemeinschaft" untereinander. Die "Jüngergemeinschaft", falls man diesen unbiblischen Ausdruck mal gebrauchen möchte - findet IN uns statt. Dieser Meister, dieser unser Lehrer Jesus, wird uns natürlich niemals im Wachstumsprozess im Wege stehen!

Die Jünger zankten ofter miteinander. Es ging um Stand, Rang und Fähigkeiten und auch um die Nähe zum Meister.
In einer solchen Geisteshaltung will Jesus nicht seine Gemeinde bauen. Es geht ihm um eine bessere "Qualität".
Es ist die Liebesbeziehung zu ihm selbst - und die daraus resultierende Liebe seiner Nachfolger untereinander. Darum betont das NT immer wieder die Gottesbeziehung, eingebettet in die Bruderbeziehung.

Von den Kindlein-Brüdern zu den Vater-Brüdern.

Dieser Titel wäre nach 1.Johannes 2,12-14 mit Kinder-Brüder und Jünglings-Brüder zu ergänzen. Alle sind Brüder (und Schwestern, eigentlich "Geschwister" welches der Übersetzung des griechischen ADEPHOI gerechter wird). Aber alle stehen auf einer anderen Wachstumsebene.
Johannes spricht vier Reifegrade an. Vier, die sich hierarchisch nicht unterordnen müssen. Der Text weist nicht einmal andeutungsweise darauf hin, dass man sich schlussendlich den Vätern unterordnen solle. Kindlein, Kinder, Jünglinge nehmen ihre jeweilige Wort und Erfahrungsnahrung zu sich. Und so wachsen sie und werden stark. Bei den Vätern heisst es nur noch - fast ein wenig geheimnisvoll - dass sie "den erkannt haben, der von Anfang an ist". Sie wachsen in einer besonderen Art der Gotteserkenntnis. Wir gehen weiter hinten in dieser Studie auf die genauen Aussagen der Lehre in jeder Stufe ein.

Wenn schon ein "Missionsbefehl" her muss, dann...

...den von Jesus, in Lukas 24,47: "...und in seinem Namen Busse (besser: Umsinnen, griechisch METANOIA) zur Vergebung der Sünden verkündigt wird unter allen Nationen (besser: "in alle Ethnien hinein").
Dies wurde seit der Zeit, die in der Apostelgeschichte geschildert wird, auch gemacht. Dabei entstanden - und entstehen - jeweils "Kindlein-Gemeinden"! Denn dies ist der Anfang jedes Lebens als Christ: ein Kindlein Gottes werden, gezeugt durch das Wort, durch das Wirken des Heiligen Geistes. Dies ist auch die Botschaft von Johannes: "Ich schreibe euch Kindlein, denn eure Sünden sind euch vergeben durch seinen Namen". Je mehr Menschen sich zu Jesus wenden (bekehren) je grösser oder zahlreicher werden die Kindlein-Gemeinden. Das ist gut so. Wenn jedoch wenig Wachstum durch Weiterführung in Wort und Wandel geschieht (zuerst durch den innenwohnenden Herrn Jesus selbst und zugleich durch Schulung in den Reifegraden) dann bleibt uns eine Vielzahl von Gemeinden, die sich kindlich, ja "kindisch" benehmen.
Sieht man das nicht überall, wo Christen miteinander streiten, einander ausschliessen und ihre Rangordnungen zelebrieren?
"So sollte es nicht sein unter euch, denn ihr seid alle Brüder", meint Jesus dazu, frei zitiert. Wir brauchen auch Kinder-Jüngling-Väter Gemeinschaften, nicht nur die Kindlein-Gemeinschaft. Am besten gut durchmischt, ähnlich wie in einer grossen Familie.

Die Jungen müssen nicht werden wie die Alten.

Das wurde schon bei der Geburtsankündigung von Johannes dem Täufer geweissagt (Lukas 1,17): "...und er wird vor ihm hergehen im Geist und der Kraft Elias, um der Väter Herzen zu bekehren (wenden) zu den Kindern und Ungehorsame (APEITHEIS, kann auch mit "Unüberzeugte" übersetzt werden!) zur Einsicht von Gerechten, um dem Herrn ein zugerüstetes Volk zu bereiten." Interessant ist besonders das neue, erweiterte Zitat in den beiden letzten Versen des Prophetes Maleachi, das eigentlich so heisst: "...und er wird das Herz der Väter zu den Kindern und das Herz der Kinder zu ihren Vätern wenden...".
Im NT betont der weissagende Bote den zweiten Teil anders.
Es scheint nicht mehr um die zu sichernde Generationenfolge Väter-Kinder, Kinder-Väter zu gehen, sondern es wird ein weiterer Spielraum gegeben, der die "Väter" mit "Einsicht von Gerechten" ersetzt. Kinder übernehmen nicht mehr automatisch beim Geisteswirken den Stil, die Ansicht der Väter, sondern suchen selbst nach Einsicht, was vor Gott als gerecht und passend gilt! "Geist und Kraft des Elia" hiess für Johannes, dass die Prophetie und die Gottesbeziehung über und von Elia von ihm in einer neuen Art weitergeführt würde. Es ist auch für uns heute noch die jeweils neue Generation, die in den Schriften (Geist) und der Kraft (Liebe) zu wandeln lernt und somit das Kommen des Herrn vorbereitet.
Jesus war erstaunt darüber, dass die "geschulten" Pharisäer weder die Schriften noch die Kraft Gottes kannten. Aber sie brachten grosse Opfer, um Proselyten zu machen. Dies könnte man auch "Jünger" machen nennen, man lese Matthäus 23,15! Gibt es nicht Ähnliches noch heute?

Jünger machen - nein. Brüder machen - ja. Kurze Zusammenfassung zur Schulung.

Schulungsprozesse sollten mehr beziehungs-orientiert auf Bruder-Bruder Ebene verlaufen und nicht nur auf Meister-Schüler Ebene.
Schulungsprozesse sollten mehr interaktiv als im Frontalunterricht stattfinden. Und mehr in familiärer Atmosphäre als im Klassenstil.
Schulungsprozesse greifen besser in kleinen Gruppen, die sich dabei kennenlernen und sich in der Umsetzung des Gelernten helfen.

Was sind nun die Besonderheiten der verschiedenen Reifegrade, die Besonderheiten einer angepassten Schulung?

Vom Kindlein zum Vater - Wachstumsstufen des Glaubens.

Im 1.Johannesbrief 2,12-14 begegnen wir vier Stufen geistlicher Reife. Welche Hinweise können sie uns für den Gemeindealltag geben?
„Liebe Kindlein (TEKNIA), ich schreibe euch, denn die Sünden sind euch vergeben durch seinen Namen. Ich schreibe euch Vätern (PATERES), denn ihr kennt den, der von Anfang ist. Ich schreibe euch jungen Leuten (NEANISKOI), denn ihr habt den Bösen überwunden. Ich habe euch Kindern (PAIDIA) geschrieben, denn ihr kennt den Vater. Ich habe euch Vätern geschrieben, denn ihr kennt den, der von Anfang ist. Ich habe euch jungen Leuten geschrieben, denn ihr seid stark, und das Wort Gottes bleibt in euch, und ihr habt den Bösen überwunden."

Johannes unterscheidet Kindlein, Kinder, junge Leute, Väter. Alle erhalten einen Hinweis, den sie – und den wir - im Wachstum zu geistlicher Reife beachten müssen.

Die Kindlein.

Für die „Kindlein" ist die wichtigste Erkenntnis Sündenvergebung und der Name Jesus. Was heisst das praktisch im Gemeindealltag? Nun, die jungen Gläubigen (gleich welchen natürlichen Alters oder Standes) brauchen Lehre über die Sündenvergebung. Nicht nur über die einmalige, die beim ersten Anrufen des Namens Jesus von Gott geschenkt wird (Apg.2,21) und zur Rettung führt, sondern auch über die fortlaufende Sündenvergebung. Denn alle „Kindlein" in Christus sündigen wieder und erhalten bei fehlender Gnadenlehre Probleme mit der „Heilsgewissheit". Sie bekehren sich wieder und wieder bei Evangelisationen und reifen nicht. Sie müssen Klarheit über die ständige Reinigung und somit Vergebung der Sünden erhalten, so wie sie 1.Johannes 1,7-9 lehrt. Der Name JESUS soll ebenso zur Grundlehre gehören. Er vermittelt Kraft gegen das Böse, gegen die vielen Versuchungen und Angriffe. Nun zum griechischen Ausdruck für „Kindlein" - TEKNIA. Es kommt von TEKNON und ist eine Form der Verkleinerung oder Verniedlichung. Johannes drückt damit einen Kosenamen aus. Er liebt diese Kindlein wie eine Mutter. TEKNON kommt vom Verb TIKTOO = gebären. Das hat praktische Bedeutung, so wie im praktischen Leben! Die Kindlein-Stufe im Glauben ist eine Zeit, in der sich Gott mütterlich dem neugeborenen Kindlein offenbaren will. Mit Milchnahrung (siehe 1.Petrus 2,2), mit Wärme, mit Zuwendungen kindlicher Art und mit viel Geduld! Des Kindlein „Weisheit" darf ein freundliches Geplapper sein, ein Nachsprechen der Mutterworte. So lernt es die christliche „Muttersprache" (nicht: Vatersprache!) und lernt spielerisch auf das neue christliche Lebensumfeld zu reagieren. Solches ermöglicht einen guten Start in der Gemeinschaft der Gläubigen und vermeidet viele Fehler. Lassen wir den Kindlein doch ihre „Babyzeit"! Bei Jesus lesen wir, wie er seinen Jüngern in der ersten Nachfolgezeit viel Freiheit gibt und viel Nachsicht bei ihren unreifen Meinungen zeigt. Eine gute Kindleinzeit ist die Basis für spätere Mündigkeit und Reife.

Die Kinder.

Johannes spricht die „Kinder" als nächstes an. Seltsamerweise betont er nur, dass sie „den Vater kennen". Offenbar ist das der wichtigste Schwerpunkt im geistlichen Kinderleben. Gott als Vater zu erkennen. „Sohnschaft" zu erkennen. Paulus erwähnt in Römer 8,15 den Geist der Sohnschaft, eigentlich den Geist der „Sohnessetzung" (HUIOTHESIA), den wir empfangen haben. Sitzen wir beim Vater als Kinder, wie es Söhne tun? Als Knechte stehen wir vor ihm, aber als Söhne sitzen wir bei ihm. Im praktischen Christsein bedeutet es: Aufatmen, Angenommen-sein und Mutfassen für künftige Aufgaben. Gewähren wir dies uns selbst und anderen, um mündig zu werden?
Der griechische Anrede PAIDIA, die Johannes auch hier wieder in der Koseform braucht, bringt uns noch auf einen anderen Aspekt des Kindseins. Er berührt die Erziehung. Wir erkennen die Worte „Pädagoge, Pädagogik" in der Anrede PAIDIA. Es zeigt uns, dass Kinderzeit auch mit harter Ausbildung zu tun hat. Besonders mit Charakterformung. Königskinder an den europäischen Höfen machen oft eine harte Zeit unter ganz normalen „Bürgerlichen" mit, zum Beispiel im Militär. Wer herrschen soll, soll dienen lernen! Werden wir nicht im kommenden Zeitalter diesen Kosmos mitregieren, ja sogar über Engel herrschen (siehe 1.Korinther 6,2-3)? Ein Kind bleibt nicht stehen. Es entwickelt sich, wenn es dient und gefördert wird.

Die jungen Menschen.

Der „junge Mensch" steht auf, er ist laut Johannes „stark, hat das Wort Gottes in sich und hat den Bösen überwunden". Jetzt kommt die visionäre Zeit; die Zeit des Aufbaus im Reiche Gottes, die Kampfeszeit! Es ist ein wunderbarer, herausfordernder Lebensabschnitt, in dem das Wort Gottes Gestalt annimmt und der Böse Niederlagen einsteckt. Fast alle Missionswerke und Gemeinden und karitative Werke entstehen durch diese „jungen Menschen". Man muss sie machen lassen, fördern, wo es nur geht und das Negative dieser Zeit nicht zu hoch bewerten. Unter „negativ" steht das Ungestüme, die Sturheit, das zum Teil Unbelehrbare, das Draufgängerische und Gewagte der „Jugend". In Siegen und Rückschlägen reift der Mensch zu einer weiteren Stufe der Mündigkeit. Mit dem griechischen Ausdruck NEANISKOI gibt Johannes noch eine ergänzende Botschaft. Sie hat mit dem Wort „neu" zu tun, das auch vom griechischen Wort NEOS kommt. Wir kennen Wortbildungen wie „Neoheiden, Neonazis" usw.; sie bedeuten, dass alt-bekannte Inhalte sich "neu" entwickeln, auch wenn es negativ besetzte Inhalte sind. Ein NEANISKOS hat also mit Neuem zu tun, das aus dem Alten hervorgeht. Er investiert neue, jugendliche Kraft. Er geht mit den Qualitäten der Jugend an Neues heran, das eigentlich nicht neu ist. Genau das brauchen wir im neuen Aufbau alter biblisch fundierter Wahrheiten. Sie stellen vermeintliche Mündigkeit in neues Licht und lassen feste Fundamente der Gemeinde um so fester werden. Übrigens: im alten Griechentum galt ein Mann bis zum 40. Altersjahr als „junger Mann"!

Die Väter.

Als letzte Gruppe spricht Johannes die „Väter" an. Der Grund: „Weil ihr den erkannt habt, der von Anfang ist." Das eindrücklichste Zeichen eines Vaters scheint der Überblick zu sein. Er kann ein Verständnis bewahren, das losgelöst ist vom hektischen Tagesgeschehen. Der „Vater" ist nicht so schnell aus der Ruhe zu bringen. Er sieht die grossen Zusammenhänge, weil er Gott, den „Anfänger und Vollender" erkennt (vergleiche Hebräer 12,2). Seine Vorschläge zu Problemlösungen tauchen aus tieferer, göttlicher Weisheit auf. Die griechische Anrede für Väter bei Johannes ist PATERES. Wir erkennen leicht den „Pater", den Namen für den katholischen Priester wieder. Das führt uns auf eine priesterliche Spur: Der Vater, der Pater, hat den priesterlichen Blick auf Gott. Er verkehrt mit dem Unfassbaren, dem Ewigen, mit dem Gott, der alles im Griff hat und immer einen Ausweg weiss. Die „Väter" leben in der Gesinnung des Zusammenhanges, der uns auch im Wort PATRIA - Vaterland - begegnet. VATERland und MUTTERsprache: Vollendung aus dem Anfang (siehe oben unter "Kindlein").
Nur Väter oder Mütter, die in dieser Weise zur Mündigkeit gewachsen sind, können in der Gemeinschaft der Gläubigen andere zur Mündigkeit führen. Anerkennen wir unsere „reifen Alten" genug, wenn sie trotz mancher Knorrigkeit und Simplifizierung oft schmerzhaft, aber treffsicher in unser Leben und in unsere scheinbare so komplexe, moderne Welt hineinreden? Es würde uns selbst reifer und mündiger machen. Und uns helfen, andere mündiger werden lassen.

Wie verlaufen die Reifeprozesse?

Die Grundreife ersieht man am Charakter und der Umsetzung desselben in den Werken. „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen." Schwerer wird es in den Mischformen. Es kommt oft vor, dass ein Mensch Gottes auf verschiedenen Lebens -und Arbeitsgebieten unterschiedliche Reifegrade zeigt. Zum Beispiel kann jemand VATER auf seelsorgerlichem Gebiet sein und KIND in biblischen Lehrfragen. Oder JUNGER MENSCH im evangelistischen Bereich und KINDLEIN im Pastoralen, KIND in Predigt und Lehre, aber VATER in der Fürbitte. Wohl dem, der nicht mit VATER-Fragen zum KIND geht und mit KINDLEIN-Fragen zu einem anderen KINDLEIN.

 

Einige Ideen im Text wurden aus der Zusatzstudie von Heidi Brogli übernommen und eingearbeitet. Der letzte Teil dieser Studie ("Vom Kindlein zum Vater - Wachstumsstufen des Glaubens") erschien in der Zeitschrift "Christliches Zeugnis" 3/2002 bei Campus für Christus. Peter Höhn hatte den Text damals überarbeitet. Ich danke allen Geschwistern, insbesondere Kurt Peverelli und René Locher, die Anregungen zu dieser Texterforschung gaben und bei der Erfassung halfen. Zuletzt: Ohne die Auseinandersetzung zum Thema "Jüngerschaft" mit Reinhold Scharnowski wäre diese Studie kaum entstanden.

JoomShaper