Urtextperle POLIS - die Stadt

Für viele Bibelleser ist der Begriff "Stadt" die "Stadt Gottes, das Neue Jerusalem". Die Kapitel 21-22 der Offenbarung führen in eine wunderbare Welt, die mystisch, verträumt und weit weg von vertrauten Stadtbildern ist. Die POLIS (griechisch für "Stadt') beflügelt die Phantasie des Lesers mit einer realistisch dargestellten Symbolik und spendet ihm gleichzeitig viel realen Trost mit Worten wie: "Und Gott selbst wird bei den Menschen wohnen und als ihr Gott alle Tränen abwischen". Oder: "Er wird den Dürstenden zur Quelle lebendigen Wassers führen". Und vor allem: "Er wird alles neu machen. Tod, Leid und Schmerzen werden nicht mehr sein" (Kapitel 21, 3-6). Das können wir alles lesen und glauben. Das Neue Jerusalem wird dem Seher Johannes als eine Braut und Frau dargestellt (Offenbarung 21,1-2). Paulus nennt das "Jerusalem oben" mit einer anderen fraulichen Betonung: Er nennt die Stadt Gottes "unser aller Mutter"(Galaterbrief 4,26). Kann nicht Gott im Bild der Mutter am besten trösten (siehe Jesaja 66,13)?

Doch was sagt die Stadt, die POLIS, noch alles aus? In der antiken griechischen Welt war die Stadt ein weitläufig gefasster Lebensraum, verbunden mit Toleranz , Wertschätzung der Weisheit (Philosophie) und einem gerechten Gemeinwesen. Unsere modernen Ausdrücke "Politik" und "Polizei, Police" sind von dieser Denkart her abgeleitet. Polizei soll die Ordnung der POLIS aufrechterhalten. Natürlich braucht es im Neuen Jerusalem keine Polizei mehr - aber Ordnung wird es dort haben. Der Wortstamm POLIS kommt vom Verb PELOMAI her, das eine breite Aussage beinhaltet, geistig übertragbar auf das Geschehen in der Stadt Gottes. PELOMAI bezieht sich auf "sich bewegen", sogar im Sinne von "sich hin und her bewegen wie eine Dienerschaft". Ist das ein Hinweis auf Gott, der ehemals leidende Menschen mit Tröstungen durch andere Menschen oder Engel "bedient"? PELOMAI hat auch mit "Handel treiben" zu tun. In der Stadt Gottes ist Bewegung und Austausch! Wenn wir POLIS und PELOMAI erweitern mit dem verwandten Wort POLITEUOMAI, dann leben dort Bürger (vergleiche Apostelgeschichte 23,1), die das Evangelium öffentlich ausleben werden (siehe Philipper 1,27). Es ist erstaunlich, dass bereits Abraham auf diese Stadt wartete (Hebräerbrief 11,10) und in ihr ein PATRIA sah - ein "Vaterland", in dem Familien (andere Bedeutung von PATRIA) beieinander wohnen (Hebräerbrief 11,14 und 16).

Das überhimmlische Jerusalem ist eine Beziehungswelt, in der Gott eine unzählbare Menge von Menschen und Engeln vereint (Hebräerbrief 12,22 bis 24) - ist das nicht eine glückliche Zukunftsaussicht?

 
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