Unter einem Fluch stehen?

Fluchen, einen Fluch aussprechen über jemandem, unter einem Fluch stehen und so weiter, was ist dies biblisch gesehen? Was ist mit Menschen, die heute unter psychischen Einschränkungen oder gar Anomalien leiden? Könnten sie "unter einem Fluch stehen"? Oder Menschen, die zwangshafte Handlungen begehen, ebenso? Aber auch schon solche Menschen, die zum Beispiel andauernd Blechschäden am Auto verursachen, könnten in irgend einer Form "unter einer Belastung" (=feineres Wort für "Fluch" in der Seelsorge) stehen. Die folgende Betrachtung hat keine seelsorgerlichen, geschweige denn medizinisch-psychiatrischen Ambitionen, sondern ist nur eine bescheidene Wortstudie in der Bibel, dem Buch Gottes.

Wollen Sie in dieser Hinsicht etwas über dich selbst herausfinden, dann wenden Sie sich bitte an einen Seelsorger oder Psychologen/Psychiater, am besten an jemanden, der auf biblischer Basis seine Hilfe einzuordnen weiss.

Anathema - der Fluch im Neuen Testament.
Die Übersetzung des Wortes ANATHEMA.

ANATHEMA wird meistens mit "Fluch" und "verflucht" übersetzt. Vermutlich ist das Vorkommen in 1.Korinther 16,22 die bekannteste "Anathema-Stelle", weil die Nennung mit dem Wort MARANATHA verbunden wurde und es unzählige "Maranatha-Chöre" und ähnliche Namen im christlichen Raum gibt. Nicht im Sinne von Fluch wird es in Lukas 21,5 übersetzt, sondern mit "Kleinod" bei Luther 1912 und mit "Weihegeschenken" in der Elberfelder. Es ist wahrscheinlich eine Art Tempelschmuck damit gemeint.

Die Vorkommen von ANATHEMA, in der Reihenfolge des Neuen Testaments.

  • Lukas 21,5
  • Apostelgeschichte 23,14
  • Römer 9,3
  • 1.Korinther 12,3
  • Galater 1,8 & 9

Das am schwersten verständliche Vorkommen ist im Lukas 21,5 , die obenstehend schon erwähnt wurde. Hier lässt eine gute griechische Handschrift des Urtextes (der Sinaitikus) die Vorsilbe ANA zu ANATHEMA weg. Auf diese Stelle gehe ich später in diesem Artikel nochmals ein.
ANATHEMATIZO, als Tätigkeitswort "verfluchen" zum Hauptwort ANATHEMA, kommt vor in:

  • Markus 14,71
  • Apostelgeschichte 23,12 & 14 & 21

Was ist ein ANATHEMA?

Es ist ein Bannfluch, auf eine Person, ein Tier oder eine Sache kommend. Sie oder es sei mit dem Fluchwort ANATHEMA "dem Untergang geweiht". Man gibt damit den Mächten der Finsternis - oder Gott! - die Gewalt, die Verfügungsgewalt über die Person, Tier oder Sache. Wir kennen im Deutschen die Ausdrücke "einen Bannfluch aussprechen", "eine Bannmeile benennen" oder "jemanden bannen". Letzteres liegt nahe bei "jemanden verdammen". Bei einem Tier kommt uns der "Sündenbock" in den Sinn (3.Mose 16,8 & 21,22). Auf ihn legte der Hohepriester die Sünden des Volkes, dann wurde der Bock in die Wüste geschickt, in die Wüste "gebannt", ausgestossen. Die Sünde wurde dem (Wüsten)Teufel zurückgegeben und somit auch dem gegeben, der die Macht über den Bösen hat, nämlich Gott!
Es gibt verschiedene Banne, Bannflüche im Alten Testament, in Israel:

Der Kriegsbann.

Da Israel ein Theokratie war, mussten schwerste Strafen auf den Götzendienst des Volkes folgen, siehe 2.Mose/Exodus 22,20. Dieses harte Gesetz brachte unter Umständen eine ganze Stadt in den totalen Untergang, in den "Kriegsbann". 5.Mose/Deuteronomium 13,12-18 gibt genaue Anweisungen dazu! Der Kriegsbann stand über vielen Städten, die zu erobern waren, allerdings mit Abweichungen in der Schärfe. Siehe 5.Mose 2,34 & 35 und 3,6 & 7 und Josua >11,14 und - mit ganz abgestuftem Vorgehen - im 5.Mose 20,10 ff.

Der Justizbann.

Esra 10,8 spricht von einem Totalverlust des Eigentums, wenn ein Israelit sich nicht analog des Ältestenbeschlusses verhielte. Dieses Gut käme unter den Bann und er selbst würde aus der Gemeinschaft ausgeschlossen.

Der Privatbann.

Dieser ist recht ausführlich im 3.Mose 27 vermerkt. Unter "privat" verstehe ich alles, was einen Menschen durch seinen Besitz ausmacht, von allem was er besitzt und erworben hat! Dazu gehören auch Personen, die einen "wirtschaftlichen" Wert haben und unter seiner Macht stehen. Gut und Menschen kann er aufgrund seiner Gottesbeziehung dem Herrn "weihen". Es ist dann dem Herrn zugehörig und steht unter dem Schutz, aber auch der Schärfe des mosaischen Gesetzes. "Alles Verbannte in Israel soll dein sein", siehe in 4.Mose 18,14. "Verbannte" kann auch mit "Geweihte" übersetzt werden. Überhaupt: Sprachlich sehen wir in den deutschen Übersetzungen die Worte "Gelübde", "Verbanntes/im Banne seiendes" und "Geweihtes" mehr oder weniger alternierend (einsetzbar) für dieselbe hebräische Aussage. Denken wir daran: "Alles Verbannte ist ein Hochheiliges des Herrn", 3.Mose 27,28. Jedoch wird gerade "Heiliges" von leider oft besonders religiösen Menschen missbraucht.

Korban! Missbrauch!

Welcher Bibelleser wunderte sich nicht schon einmal über besondere Ausdrücke im NT wie das Wort "Korban". Im Markus 7,11 finden wir es. Jesus weist auf einen hartherzigen Missbrauch hin: ein erwachsenes Kind, das seinen Eltern die Altersversorgung schmälert, nicht gönnt, indem es das zum Leben Notwendige mit dem Ausruf "Korban" dem Herrn "weiht" und es somit dem Gebrauch entzieht. Als ob solch eine "Weihe" dem Gott der Armen, Wittwen, Waisen und Alten wohlgefällig wäre!
Synagogenbann, Luthers Bannbulle.

Die Geschichte mit dem Blindgeborenen im Johannes-Evangelium erwähnt den Synagogenbann (Johannes 9,22). In diesen gestellt zu werden - nein, diese Konsequenzen wollten die Eltern des Blindgeborenen nicht auf sich nehmen. Sie zogen eine Verleugnung von Jesus vor. Luther liess sich ca. 1500 Jahre später nicht vom Nachfolger des Synagogenbanns, dem Kirchenbann, beeindrucken. Der Papst verhängte ihn in Rom über dem "abtrünnigen Mönchlein". Jedoch landete seine Bannbulle (Urteilsverkündigung auf einer mit Siegel beglaubigten Schrift) in Deutschland im Feuer.
Das ANATHEMA wurde von dem mutigen Luther nicht angenommen...das Mönchlein schleuderte es gar zurück! Er "verdammte" seinerseits das ANATHEMA als ungerechtfertigt und sandte es als ANATHEMA nach Rom zurück.

Kann ein Fluch, etwas Verbanntes, Gott gegeben werden?

Ja. Somit erklärt sich die Lukas 21,5 Stelle. Schon seit Josuas Zeiten kennen wir das "Verbannte", das "Gott gehörende" Gut bei Eroberung und Plünderung. Der Israelit Achan vergriff sich am "Gebannten" und kam somit unter einen Fluch. Er musste dies mit seinem Leben bezahlen (Josua 7,1 ff) nachdem andere in Israel ihr Leben liessen wegen dieses Fluches. Eine Volksgemeinschaft wie Israel wurde von Gott oft wie eine einzelne Person beurteilt (vergleiche Jesaja 43,1-4). Einer für alle, alle für Einen! Eine andere traurige Geschichte lesen wir im Richterbuch 11,31 ff mit Jephtahs Tochter, die auch dem Herrn durch ein unbedachtes Gelübde "geweiht" wurde. In diesem Sinne sehen wir die "Kleinode" oder Weihegeschenke, die dem Tempel Gottes und somit Gott gegeben wurden. Sie verfielen Gott. Ob dies nun ausschliesslich als "Fluch" zu sehen ist, oder ob dort nicht bereits eine unergründliche Gnade - und Liebe Gottes, in Jesu Opfer geoffenbart - durchschimmert, muss dem gläubigen Leser überlassen werden. Ist nicht durch den Bann der Verfluchte "Gottes direktes Eigentum" geworden?

Ein tiefer, christlicher Gedanke:

Dieser wäre: wollen wir nicht auch Gott "verfallen", uns ihm weihen? Oder: wurde nicht Jesus Christus der grösstmögliche Fluch für uns, als er am "Fluchholz", dem Kreuzesbalken, für uns starb? Galater 3,13 und viele andere Stellen sprechen davon. Er trug unseren Fluch, unsere Sünde. Glauben wir dies, sind wir befreit davon. Er wurde zum grösstmöglichen Weihegeschenk für uns!

Ein Fluch zur Warnung, zur Trennung.

Im Galaterbrief (1,8 & 9) spricht Paulus das ANATHEMA über allen aus, die das Evangelium Christi anders (=verfälscht) predigen als er. Er nimmt sich sogar die Vollmacht, diesen Fluch nicht nur über Menschen, sondern sogar über Engel auszusprechen! Damit warnt er einerseits alle, die dies ANATHEMA hören oder lesen und trennt andererseits diese Prediger vom Segensfluss Gottes bei ihrer Botschaft. Dieser Trennfluch aus dem Galaterbrief wurde - leider! - in der Kirchengeschichte oft missbräuchlich über Predigern ausgerufen, die ein echteres Evangelium als die Kirche verkündigten! So brandmarkte man sie als Häretiker. Man exkommunizierte sie, verfolgte sie, tötete sie.

ANATHEMA und KATATHEMA.

Es gibt noch ein Wort für "Verbanntes" (Luther 1912) oder "Fluch" (Elberfelder Ü.1952) im Neuen Testament. Es ist der Ausdruck KATATHEMA. Er kommt als Nomen (Hauptwort) nur in Offenbarung 22,3 vor. Als Verbum (Tätigkeitswort) KATATHEMATIZO nur in Matthäus 26,74. Dort verflucht sich Petrus selbst, kurz bevor er Jesus verleugnet. Dieses sich selbst verfluchen ist eine ungemein ernste Sache. Es ist nicht mit dem Fluch vergleichbar, den Menschen heute oft im allemanisch-deutschsprachigen Raum gedankenlos dahinfluchen: "Gottverd...mi".
Das griechische Wort KATATHEMATIZO bedeutet eher eine Verdammung "nach unten" , "in die Hölle weisend" als eine Verdammung "nach oben", "zu Gott weisend". Petrus sprach es weder gedankenlos aus noch machte er sich zum "Weihegeschenk", zum ANATHEMA. Er trennte sich mit diesem Fluch - als gläubiger Hebräer! - von Gott, verbannte sich aus dem Lande der Lebendigen! Seine Wiederannahme durch den Auferstandenen muss ein Stück "Himmel" für ihn gewesen sein, trotz aller Beschämung.

Kein Fluch mehr auf der neuen Erde, im Neuen Jerusalem.

"...und es wird kein Fluch mehr sein" lesen wir in Offenbarung 22,3. Kein KATATHEMA mehr! Wie setzt sich dies Wort zusammen, sodass wir ein besseres Verständnis davon erlangen? Die Silben des Wortes weisen auf "ganz herabgestellt" hin (KATA THEMA von KATA = ganz herab, gegen und TITHEMI = setzen-stellen-legen). Zusätzlich haben wir in der Wortverwandtschaft HE KATARA (Galater 3,10) als "Verwünschung, Fluch", das sich wiederum aus den Silben KATA und ARA (Gebet) zusammensetzt, also "ganz herab-Gebet" oder "Gegen-Gebet".

Zweimal Fluch - eine Gegenüberstellung?

Es scheint, als ob das KATATHEMA dem ANATHEMA gegenübergestellt sei...und somit im kommenden Zeitalter (Äon) es wirklich niemanden mehr geben wird, der sich von Gott entfernen könnte, "wegentwickeln" könnte, im Feuersee ("Hölle") landen könnte. Ist das unter anderem auf die Blätter der Lebensbäume zurückzuführen – man lese Offenbarung 22,2 - zur Gesundung der Nationen? Gesundung der Nationen! Es impliziert (=beinhaltet), dass sie noch "krank" sind, obwohl sie auf der neuen Erde leben! "Krank" kann man im weitesten Sinne sein. Auf der neuen Erde entsteht "das irdische Paradies" erst mit der Zeit. Denn "die draussen sind" (vom Neuen Jerusalem) werden noch als die "die Gemeines, Gräuel und Lüge tun" bezeichnet (Offenbarung 21,27 und auch 22,15)! "Zur Gesundung..." heisst auf griechisch EIS THERAPEIAN, weist also eher auf eine "therapeutische" als nur auf eine rein "medizinische" Heilung hin. Die Zeit des Fluches, des Bannes ist endgültig vorbei.

Eine aktuelle Sorge des Verfassers:

Ich bin sehr erschrocken über die harten ANATHEMA, die Paulus im Galaterbrief 1,8 & 9 ausspricht. Im Textzusammenhang geht es um Lehrer, die die Galater von der Gnade zum Gesetz zurückführen wollen. Sie müssen recht gute Argumente ins Feld geführt haben, um überhaupt so erfolgreich zu sein...wo finde ich eine ähnliche Situation heute? Mit Erschrecken stelle ich fest, dass in vielen christlichen Gemeinden noch viele "Gesetze" neben der Gnade gepredigt werden. Nach Matthäus 5,17 hat Jesus das GANZE GESETZ, beziehungsweise seine Forderungen erfüllt. Oft meine ich, die VOLLE GNADE IN IHM weder in Predigt der Leiter noch im Leben der Gemeindeglieder zu bemerken. Um was es sich dabei im Detail handelt, sprengt den Rahmen dieser Studie. Die Gefahr ist gross, dass ein ANATHEMA offenbar über vielen Gemeinden schwebt! Dies wäre sehr schwerwiegend...aber vielleicht eine mögliche Erklärung einiger Schwierigkeiten, deren Ursachen sich trotz vieler Gebete und Sitzungen hartnäckig "verstecken"?

Und vielleicht eine Erklärung dafür, warum es in vielen Gemeinden gerade im "geistlichen" Bereich nicht wirklich vorwärts geht oder warum viele Glieder die traditionell-geführten Gemeinden verlassen.
Ich verweise unter anderem auf mein Buch "Gemeinde im Sturm", das die Entwicklung vieler Gemeinden prophetisch beleuchtet - analog der letzten Reise des Apostels Paulus "von Jerusalem nach Rom", "von der Gründung unseres Glaubenslebens bis zur Vollendung".

JoomShaper