Urtextperle ARETÄ - Tugend

Tugend? Was kommt Ihnen bei diesem Wort spontan in den Sinn? Ein Sprichwort wie "aus der Not eine Tugend machen"? Oder sie denken an eine "tugendhafte" Frau? Was auch immer Ihre Antwort wäre, ein alltäglich gebrauchter Begriff ist "Tugend" sicher nicht. Das war in der Antike anders. Die Tugend, die ARETÄ, hatte einen gewichtigen Platz in der Gesellschaft. Sie wurde gesucht, gelebt und sogar besungen. Bei Homer leben und sterben Helden um der ARETÄ willen. Bald nach Homer dehnt sich der Tugendbegriff aus - zum Heldentum von Ländern und Städten. Die ARETÄ wird zum Leitbild des gesellschaftlichen Verhaltens in der POLIS, der Stadt. Im Neuen Testament kommt die ARETÄ fünf mal vor: Philipperbrief 4,8 / 1. Petrusbrief 2,9 / 2. Petrusbrief 1,3 und 5. Alle Tugenden gehen von Gott aus und können bei uns sichtbar werden als Folge unseres Glaubens. Lesen wir 1.Petrusbrief Kapitel 2, 9 : "...dass ihr verkündigen sollt die Tugenden des, der euch berufen hat aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht." Um welche Tugenden Gottes handelt es sich denn? Welche Tugenden beinhaltet der griechische Begriff ARETÄ? Ich schaue es in einem Lexikon nach (Benselers griechisch-deutsches Schulwörterbuch 1910) und staune über die einzigartige Vielfalt der Bedeutungen: "Tüchtigkeit, Trefflichkeit, Tauglichkeit, Güte, Vollkommenheit, Herrlichkeit, Stärke, Gewandheit, Schönheit, Ehre, Glück, Gedeihen, Ergiebigkeit, sittliche Güte, Seelengrösse, Tugend, Rechtlichkeit, Edelmut , Dienstfertigkeit, Verdienst, Unschuld, Geschicklichkeit edelmütige Gesinnung, Tapferkeit, Heldentaten (im Plural), Heldenruhm...Tugendruhm!" Bei einer solch' langen Bedeutungsliste habe ich fast Hemmungen, sie abzuschreiben! Aber eine Bedeutung von Gottes Tugend, der ARETÄ, habe ich beim Zitieren unterschlagen, weil ich jetzt noch besonders auf sie eingehen will:

Die "Energie des Willens".

Mein Griechischlehrer zeigte mir einmal, wie man den Text des 2.Petrusbrief 1.Kapitel, Vers 3 genauer übersetzen kann: "...(Gott), der uns berufen hat zu seiner eigenen Herrlichkeit (DOXA) und geistlichen Energie (ARETÄ)...". An diese GEISTLICHE ENERGIE erinnerte ich mich später jeweils dann, wenn ich bei einer wünschenswerten Tugend mein Ziel nicht erreichte und mein Wille dabei seine Energie verlor! Petrus nennt die ARETÄ noch einmal, zwei Verse weiter, im 2.Petrusbrief 1.Kapitel, vers 5. Dort soll sie, die Tugend: "...wie in einer Choreographie auf dem Glauben die geistlich-energetische Grundlage zu der GNOSIS, der Erkenntnis, bilden...". Wenn wir im Glauben wachsen wollen und das Ziel der AGAPE Liebe vor Augen behalten, kommen wir ohne die ARETÄ nicht weiter (man lese den ganzen Text im 2.Petrusbrief 1, 3-7). Gott schenkt uns soviel mit seiner ARETÄ. Ich bin für den einen Teil, die geistliche "Energie des Willens", besonders dankbar.

Wie steht es mit den Wortverwandschaften von ARETÄ? Diese verzweigen sich in einige Richtungen. Zum Beispiel zu ARO, deutsch: passen, verbinden, zusammenfügen. Die Tugend fügt vieles zusammen und führt zu einem "gefälligen" Leben. Und genau dorthin führt auch die verwandschaftliche Nähe zu dem Wort ARESTOS, "was gefällt" (siehe Apostelgeschichte 6,2) und zu der Aussage im Römerbrief Kapitel 12, Verse 1 und 3, wo Paulus EU-ARESTOS für "wohlgefällig" verwendet - als Steigerung für "gut". Die Griechen sahen das ebenso, damals in ihrer Sprache: EU-ARESTOS stand als Komparativ (Steigerung) für AGATHOS, für "gut". Gut, besser, wohlgefällig - Tugend ist stets auf dem besten Weg.

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