Eine ungewöhnliche Bitte

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Gott,sei mir Sünder gnädig!

Eine Betrachtung einer ungewöhnlichen Bitte an Gott.

Zwei fromme Männer.

Im Lukasevangelium 18,13 steht diese Bitte nach Gnade. Wieso nenne ich sie 'ungewöhnlich'? Gnade zu erbitten, Gottes Wohlgefallen zu suchen, das tun doch die meisten frommen und gottesfürchtigen Menschen. Der Pharisäer im Lukas-Text bittet seltsamerweise nicht darum. Er erklärt vielmehr Gott in seinem Gebet, wieso er Gottes Wohlgefallen verdient hätte. Die Bitte um Gnade stammt von dem zweiten Mann in dieser Geschichte, der wohl seit fast 2000 Jahren von vielen Bibellesern recht einseitig verstanden wurde: Es ist der Zöllner, der Sünder. Jesus stellt ihn einem anderen Sünder gegenüber, der allerdings nicht merkte, dass er ein Sünder war. Zwei Männer im Tempel Gottes. Zwei Männer, die Gott etwas sagen wollten. Jesus erzählt es uns als Gleichnis. Es geht um Frömmigkeit, Selbstgerechtigkeit und um Verachtung eines anderen Frommen.

Der eine ist, wie gesagt, ein gesetzestreuer Pharisäer, dessen Beruf wir nicht kennen und der andere, ein Steuereintreiber (in alter biblischer Sprache: ein Zöllner). Die 'Zöllner' waren verachtet, ja verhasst in der damaligen jüdischen Gesellschaft, weil sie, selbst Juden, für die Römer Steuern eintrieben und sich dabei oft noch zusätzlich ungerecht bereicherten. Der ganze Text steht im Lukas Kapitel 18, Verse 9-14.

Des Zöllners Bitte.

Er sucht einen 'gnädigen Gott'. Wie auch einst Martin Luther, von dem dieses Suchen berühmt wurde. Es führte zur Reformation. Jedoch - welche 'Gnade' suchte der Zöllner in seinem Gebet? Vergebung für sein 'sündiges' Leben? Wahrscheinlich auch. Wenn er aber Vergebung für sein 'sündiges' Verhalten als Steuereintreiber sucht, warum lesen wir dann nichts von einem Wunsch nach Lebensänderung oder Wiedergutmachung wie beim wohl bekanntesten Zöllner der Evangelien, dem Zachäus? (Bitte lesen Sie dazu dessen Geschichte im nächsten Kapitel bei Lukas, 19, 1-10...).

Der namenlose Zöllner betet als 'Fernstehender' im Tempel. Er traut sich nicht nach vorne zu treten wie der Pharisäer. Er traut sich nicht einmal sein Gesicht nach oben zu wenden. Ja, er schlägt sich sogar gegen seine Brust beim beten. Das war eine Geste des sich schuldig bezeichnen, wie es heute noch im kirchlichen Brauch als Ritual des 'Mea Culpa' verübt wird.

Des Zöllners erstaunliche Wortwahl.

'Gott, sei mir Sünder GNÄDIG'. In den Evangelien wird bei ähnlichen Bitten ein anderes Wort gebraucht als es der Zöllner tut. Zum Beispiel bei den Kranken, Armen, Schwachen und Blinden, die sich an Jesus wenden und um Hilfe und Heilung bitten. Bei allen Stellen wird dort um ERBARMEN ersucht. (Für die Leser, die es nachschlagen wollen, siehe Matthäus 9,27 / 15,15 / 20,31 / Markus 10,47-48 / Lukas 17,13 und 18,38-39).

Der neutestamentliche griechische Wortstamm, der dort jeweils verwendet wird, kommt von ELEOS, das heisst Mitleid, Erbarmen, Barmherzigkeit. Des Zöllners Bitte dagegen gebraucht ein Wort, das vom Wortstamm HILEOS ausgeht, das Erbarmen und Gnädig-sein ausdrückt...und noch viel mehr...was eine erstaunliche Geisteshaltung aufzeigt. Ich nenne anschliessend einige Wortverwandtschaften von HILEOS und ihre jeweiligen Übersetzungen in der Lutherbibel. Sie zeigen zu welchem Gott der Zöllner betet, welches Gottesbild er hat. Es weist zu erstaunlichen Zusammenhängen.

Des Zöllners Gottesbild.

Es ist ein heiteres Gottesbild. Trotz der äusserlichen schuldzeigenden Zerknirschtheit und Bescheidenheit des Zöllners tritt er einem heiteren, ja fröhlichen Gott gegenüber. HILEOS hat den gleichen Wortstamm wie HILAROS. Und dieses Wort kennen wir aus einem bekannten Vers (2.Korinther 9,7): 'Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb'...DOTEN HILARON...einen Geber, der fröhlich und heiter gibt, nicht aus Zwang, nicht weil es das Gesetz vorschreibt, sondern von Herzen. Ob der sich selbst lobende Pharisäer im Tempel seinen 'Zehnten' aus Gesetzesgründen oder von Herzen gab, können wir nur vermuten. Aber dass der Zöllner zu einem Gott betet, der ihn fröhlich und heiter annimmt trotz seines Standes als 'Sünder', das erkennen wir an seiner Wortwahl: 'Gott, sei mir Sünder FRÖHLICH GNÄDIG' denn im griechischen Grundtext steht: HILASTETI, leicht erkennbar von HILAROS abgeleitet!

Des Zöllners fröhlichen Gott...

...gab es schon immer. Aus dem Alten Testament kennen wir die Bundeslade, im Allerheiligsten des Tempels. Dort geschah die Versöhnung zwischen dem heiligen Gott und dem sündigen Volk. Im Hebräerbrief lesen wir davon (Kapitel 9,5). Das Grundtextwort hier heisst HILASTERION. Es zeigt auf, dass Gott gerne, in fröhlicher Weise das Versöhnungsgebet annahm! Dies kommt oft in der üblichen Lehre nicht zur Sprache. Im Neuen Testament lesen wir an folgenden weiteren Stellen Aussagen mit dem Wortstamm HILAROS:

1.Johannesbrief 2,1-2 und 4,10. Dort wird Jesus die Versöhnung genannt, griechisch: HILASMOS! Er selbst ist die gnädig-fröhlich-heitere Versöhnung! Viele sehen in ihm eher einen strengen, 'gnädigerweise' Versöhnung gewährenden Gott.

Dann Matthäus 16,21-23: Jesus spricht hier von seinem kommenden Leiden und Tod. Petrus reagiert heftig. Er meint, dass dies besser nicht geschehe, er, Jesus, solle sich lieber schonen und frisch-fröhlich weiterleben! Petrus gebraucht das Wort HILEOS dafür.

Des Zöllners Vorbild.

Seine Geisteshaltung und sein Gottesbild sollte auch uns ein Vorbild geben. Die Bibelstelle, die mich in diesem Zusammenhang am meisten berührt, ist die vom Römerbrief 12,8. Dort steht nicht nur, dass wir Barmherzigkeit üben sollen, sondern...Barmherzigkeit mit Lust! So übersetzt Luther HILAROTETI. Wir sollen also nicht einfach barmherzig sein. Und keinesfalls 'gnädig-herablassend' barmherzig. Oder mit der Haltung 'gnädig-weil-ich-selbst-Barmherzigkeit-brauche', sondern mit LUST, mit heiterer, fröhlicher Lust, so wie es Gott selbst seit jeher tut. Denn laut Aussage im 1.Timotheusbrief 6,15 ist er seit jeher ein GLÜCKSELIGER Gott, trotz allem Leid in seiner Schöpfung. Er weiss, dass er mit ihr zu einem glückseligen Ende kommen wird (1.Korintherbrief 15,28).

Das verstand der Zöllner besser als der Pharisäer.