Prophetisch den Zeitgeist erkannt - Das Buch Daniel

Kategorie: Artikel Zugriffe: 6948

Als überzeugter Christ, der es liebt, in der Heiligen Schrift zu forschen, merkte ich in den letzten Jahren immer mehr, wie sehr mein Leben nicht nur von meinen Bibelstudien, sondern auch vom Zeitgeist beeinflusst wird. Zwar bin ich es gewohnt, oft ganz andere Wege als die Menschen meines Umfeldes zu gehen. Darum hat man mir da und dort auch das Etikett eines christlichen Querdenkers verpasst, obwohl ich es gar nicht so «quer» empfinde, was ich denke und ausspreche! Nun, damit lässt sich leben, solange es nur um Unterschiede in der biblischen Auslegung oder um einen vielleicht etwas freieren Lebensstil geht. Wenn es sich jedoch um den Einfluss des Zeitgeistes handelt, um «weltliches Denken», will und kann ich das nicht mehr ignorieren. Eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Zeitgeist aufgrund des Buches Daniel hat mir dabei sehr geholfen. Wer nicht mehr zur ganz jungen Generation gehört und die verschiedenen christlichen Zeitschriften unserer Tage studiert, wird unschwer feststellen, wie anders man noch vor wenigen Jahrzehnten «als Christ dachte». Nicht nur in «theologischen Schlüsselthemen» wie der Rolle von Mann und Frau im Reich Gottes oder Fragen der Endzeit, sondern auch in ganz alltäglichen Themen des menschlichen Lebens und Zusammenlebens. Was früher klar als «unbiblisches» Verhalten verpönt war, zum Beispiel Scheidung oder Wiederverheiratung, wird heute von Christen – unter dem Druck des Zeitgeistes – neu geprüft und anders gewichtet. Oft nicht zum Vorteil der Betroffenen. Auf der anderen Seite kamen, nicht zuletzt als Folge des Zeitgeistes, im innerchristlichen Umfeld Themen auf wie «innere Heilung», «sexuelle Zerbrochenheit» oder «geistlicher Missbrauch»: Hatte man solches aus dem Munde unserer christlichen Väter und Mütter gehört? Ich denke eher selten oder nie. Was auch immer um uns herum thematisiert wurde – wie oft wurde es von bekennenden Christen zunächst abgelehnt! Aber so nach und nach sickerte doch vieles in unser Denken hinein; zum Teil begrüssten, zum Teil bekämpften wir es. Persönlich muss ich mich besonders in der Seelsorge und Begleitung von Menschen in Not vermehrt mit dem «zeitgeistlichen » Denken biblisch auseinander setzen und lerne oft so manches neu zu sehen: manchmal zur klareren Abgrenzung, manchmal zu einem vertiefteren Verständnis. Immer wieder ist es, als ob Gott einen neuen Blick in sein uraltes, ewig gültiges Wort erlaubte!

Unser Zeitgeist, abgebildet im Buch des Propheten Daniel

Was sagt die Bibel eigentlich zur Thematik des Zeitgeistes? Was können wir aus ihr herauslesen, wie unser zeitgeistliches Denken durch die Jahrhunderte hindurch geformt und geprägt wurde? In welcher Weise haben alle Zeitepochen ihre kollektiven und individuellen Spuren in unserem Denken hinterlassen? – Eine der besten Quellen dafür finden wir beim Propheten Daniel. Seit seiner Epoche hat er für alle Zeitalter auf Erden den roten Faden der weltgeschichtlichen Entwicklung erkannt und aufgezeichnet. Er ist der einzige biblische Zeuge, der historisch-chronologisch (geschichtlich richtig aufeinander folgend) berichtet. Bei allen anderen prophetischen Aussagen in der Bibel liegen manchmal Jahrhunderte zwischen zwei Sätzen. Daniels Zeit war jene des Königs von Babel, Nebukadnezar. Gott wählte diesen Despoten als Offenbarungsträger. Nebukadnezars Reich wurde zum Anfang und zum Inbegriff der Weltreiche. Aus biblischer Sicht fing das erste grosse Weltreich mit Babel an (siehe 1. Mose 10,10) und das letzte Weltwirtschaftsreich wird mit Babylon aufhören (Offenbarung 18,3-21). Die Chronologie (Zeitenfolge) der Weltreiche wird biblisch gesehen von Nebukadnezars Reich an gezählt. Wir wollen zwei Träume aus dem Buch Daniel untersuchen. Beide lassen die Horizonte weltgeschichtlicher Entwicklungen in eindrücklicher Klarheit durchscheinen.

Der Traum von König Nebukadnezar – ein Standbild

Nebukadnezar hatte einen Traum. Er vergass ihn zwar beim Aufwachen, spürte aber instinktiv, dass dieser Traum sehr wichtig war und ... – nun, diese Geschichte liest man am besten selbst nach im Buche Daniel 2,31-45! Gott zeigte dann dem Daniel, was der König geträumt hatte: von einer Statue mit goldenem Haupt, silberner Brust und silbernen Armen, bronzenem Bauch, mit Beinen aus Eisen und Füssen aus Eisen und Ton vermischt. Und wichtiger noch: Daniel konnte den Traum auch auslegen und sagen, welcher Teil des Standbildes welches Reich symbolisierte. Es ging um des Königs Reich und alle Reiche danach. Also von Nebukadnezars Zeit (ca. 600 v. Chr.) bis in die Vollendung der Weltreich-Zeitalter, die Daniel als Zerbruch aller Weltreiche sieht. Sogar das «Danach», der Aufbau des Reiches Gottes, ist im Traum enthalten. Die historische Folge der Reiche nach Daniel 2 ergibt also folgende Aufstellung:

Beispielhafte Betrachtungen der Standbild-Symbolik

1. Bauch und Lenden – Geburt von Philosophie und Emotionen
Es gibt kaum eine Stadt in Europa, in der die alte Kultur Griechenlands nicht in Form von Statuen und Bildnissen augenfällig wäre. Der ehemalige Bibellehrer Derek Prince erzählt in seiner Publikation «Die Verführung des Humanismus» (siehe auch in dieser Ausgabe ab Seite 20) von einer kleinen Begebenheit mit seiner Frau, als er dieser die Stadt London zeigte. Es fielen ihr nämlich die vielen griechischen Statuen auf, und sie zeigte sich sehr erstaunt über «all die Götzen». Diese Bemerkung weckte ihn quasi aus seinem gewohnten Blick, der ihn gar nicht mehr hinterfragen liess, wie eigenartig das Ganze eigentlich ist. Wir übernehmen hier gekürzt seine Gedanken, die er im Anschluss an diese Begebenheit beschreibt:

Bauch und Lenden meinen, mit anderen Worten ausgedrückt, den Unterleib, worin auch die Geschlechtsorgane des Menschen enthalten sind. Es geht also um Fortpflanzung. Wenn wir die Geschichte Europas aus einer historischen Perspektive betrachten, wird klar, dass die dominierende Philosophie die griechische ist. Weder Babylon noch Persien noch Rom sind heute so nachhaltig präsent. Historiker kommentieren, dass Rom Griechenland zwar militärisch überwunden, aber Griechenland dem römischen Weltreich in philosophischer Hinsicht seinen Stempel aufgedrückt habe.

Und – ist nicht das gesamte Gedankengut des europäischen Kontinents sehr stark von Griechenland beeinflusst? Die drei Hauptelemente in der damaligen griechischen Kultur waren Rationalismus, Körperkultur/Sport und Homosexualität. Ist es heute in unserer Kultur nicht auch so? In dem Zusammenhang möchte ich drei griechische Philosophen erwähnen, deren Aussagen zu den Grundlagen des Humanismus gehören. Zunächst Heraklit: Er hat mit seinem Satz «Man kann nicht zweimal in den gleichen Fluss steigen» ein Fundament des Relativismus geschaffen. Alles sei nämlich relativ, nichts absolut. Vom Philosophen Protagoras stammen die folgenschweren Worte: «Der Mensch ist das Mass aller Dinge.» Damit hat er den Humanismus schlechthin in einem Satz zusammengefasst. Somit entscheidet der Mensch, was gut und böse ist. Und weil ja alles relativ ist, kann morgen alles wieder anders sein. Und für Aristoteles war Gott das Konzept eines guten, vollkommenen Verstandes, der über sich selbst und das Denken an sich nachdenkt. Diese Aussagen gehören zu den dominierenden Kräften unserer abendländischen Kultur und Gesellschaft.

So weit die Ausführungen von Derek Prince. Eine ergänzende Beobachtung aus unserer heutigen Zeit möchte ich dem noch anfügen: Das Philosophische steht nicht nur für das Denken, sondern auch für das «emotionale Denken» (Bronze steht für den Bauchbereich, zum Beispiel für Individualismus und Entscheidungen «aus dem Bauche heraus»). Hier ist auch die Beeinflussung durch die Medien, besonders das TV, zu nennen. Bestimmte Ereignisse, voll «medialisiert », bewegten Milliarden von Menschen: Die Solidarität und Spendenflut nach dem Tsunami vom 26. Dezember 2004 waren einzigartig in der Geschichte. Desgleichen löste nur drei Monate später der Tod des Papstes eine ähnliche emotionale Reaktion aus, medial ersichtlich und allgegenwärtig. Die Gefahr, den «Bauchbereich» in die Politik zu übertragen, könnte schon in naher Zukunft zu schweren Fehlentscheidungen führen. Der französische Philosoph Paul Virilio sieht in der zunehmenden Emotionalität sogar eine Gefahr für die Demokratie.

2. Eisen und Ton – Neuzeitliche Mixtur: von allem etwas
Alle Werte, die wir heute haben, sind aus den verschiedenen Zeitgeist-Strömungen der Weltgeschichte zusammengesetzt. Damit ist unser Zeitgeist nicht mit einem einzigen Begriff fassbar. Wir erkennen daran, dass unser Denken und Handeln von allen Aspekten quasi gleichzeitig geprägt ist. Die Komponenten sind religiös, wirtschaftlich, philosophisch, humanistisch und in verschiedene Strukturen eingekleidet. Die Zusammenhangslosigkeit und Zerbrechlichkeit dieser Mixtur ist gerade heutzutage offensichtlich. Wir befinden uns, gemäss der Chronologie, im Zeitalter von Eisen mit Ton – schon von Daniel als unbeständige Mischung vorausgesagt. Betrachten wir daraus zwei Aspekte:

a) Religiös vermischtes Denken und Handeln
Die Religion wurde gerade im 19. und 20. Jahrhundert oft totgesagt. Doch spätestens seit dem Fall der Berliner Mauer ist sie in Ost und West wieder fest im Vormarsch. Umfragen zufolge glauben zurzeit etwa 60 bis 70 Prozent der Europäer an Gott, an ein (moralisch handelndes) höheres Wesen. Polen und Finnland bringen über 90 Prozent in diese Statistik ein, Tschechien ist das Schlusslicht mit 37 Prozent. Die deutschsprachigen Länder liegen bei etwa 70 Prozent. Das Stichwort «Esoterik» gehört auch zur «Religion»: Der Arbeiter legt Steine (wie Amulette) auf und durchforscht Horoskope, bevor er den Lottozettel ausfüllt. Der Manager rückt seine Möbel nach chinesischem Geistwind zurecht und konsultiert vor millionenschweren Entscheidungen am liebsten den Guru. Die Hausfrau brüht geistig wirkende Teesorten auf, und die Jugend nimmt bewusstseinserweiternde Drogen, um die ultimativen (religiösen!) Kicks zu suchen. Aber auch die Bibel findet wieder Millionen neuer Leser. Auf den Glauben ausgerichtete Jugendbewegungen boomen. Selbst die traditionelle römisch-katholische Kirche gewann während des Pontifikats von Johannes Paul II. weltweit rund 300 Millionen(!) Menschen dazu oder zurück, und auch Papst Benedikt XVI. vermochte zumindest zum Jugendwelttag im August 2005 die Massen zu mobilisieren. Doch alles Vorhandene vermischt sich mehr und mehr: Könnte man vielleicht die heute oft gelebte Transzendenz als kirchlich-esoterischen Zeitgeist bezeichnen?

b) Eisern durchgreifen und human behandeln
Wir sind sehr stark umgeben von gesetzlichen Regelwerken. Gerade die EU ist ein gutes Beispiel dafür. Auf der anderen Seite findet aber auch eine starke Betonung von Menschenrechten und Bekämpfung von – auch scheinbarer – Diskriminierung (wie Rassismus) statt. «Humanistisch geprägt» zeigen sich nicht nur die sozialen «Errungenschaften », sondern auch veränderte gesellschaftliche Werte, die bisher als «abnorm» Empfundenes zur Norm erklären (zum Beispiel im gleichgeschlechtlichen Bereich). Humanistisch denkt auch die Wissenschaft, besonders bahnbrechend in der Medizin zu sehen: Alles, was dem Menschen irgendwie dienen könnte, wird «erforscht» – und dabei im ethischen Grenzbereich manövriert (Beispiel Genmanipulation).
Hier die eisernen Gesetzeselemente, dort Liebe, Mitgefühl und leere (= tönerne) Versprechen. Oft hat der gesundvernünftig denkende Zeitgenosse den Eindruck: Das hält nicht zusammen! Als biblisch gesinnte Christen sind wir oft in einem Dilemma. Wir sind herausgefordert – besonders, was die Toleranz gegenüber andersdenkenden Menschen angeht. Da gilt es, das Wort Gottes mit Gebet um fördernde Antworten zu studieren!

Der Traum Daniels: Die Tiere aus dem Meer

Auch Daniel hat einen Traum, der in Kapitel 7 beschrieben ist. Er sieht aus dem Meer (Symbol für die Völker) vier grosse Tiere aufsteigen, eines nach dem anderen. Er erkennt in ihnen die Symbole der Macht – und des Handelns – der Weltreiche. Wir würden diese Tiere heute wohl als «Wappentiere»2 bezeichnen. Daniel bekommt durch sie einen Einblick in die dahinterliegende Gesinnung dieser Weltreiche und ihres jeweiligen Zeitgeistes.

Erstes Tier: Mischung aus Löwe, Adler, Mensch
Einige denken sofort an die Sphinx bei den grossen ägyptischen Pyramiden, die sich aus Menschenantlitz, Löwenpranken, Adlerflügeln und Stierleib zusammensetzt. In Babel gab es Tausende von Sphingen, die aus der Religiosität der alten Ägypter übernommen wurden. Der Löwe zeigt die Majestät und den Raubtiercharakter Babels an, die Flügel die Engelsmächte, die Nebukadnezar wieder ein menschliches Herz nach seiner Erniedrigung gaben (siehe Daniel, Kapitel 4).
Daniel schaut in seinem Traum in das geistlich zu verstehende Innenleben der Weltreiche. Nebukadnezar sah nur die Aussenseite. Schauen wir in das Innenleben unserer Kirchen, Gemeinden und der christlichen Werke – erkennen wir nicht hier und dort ähnliche geistlich-religiöse Vermischungen nach babylonischem Muster? Interessanterweise hatte Jesusin seinen Himmelreich-Gleichnissen (Matthäus 13) oft diese Bilder der Vermischungen erwähnt. Zum Beispiel in Vers 33: «Das Reich der Himmel ist gleich einem Sauerteig, welchen eine Frau nahm und unter drei Mass Mehl verbarg, bis es ganz durchsäuert war.» Nach Jesu Warnung in Lukas 12,1 steht Sauerteig symbolisch für «Heuchelei», also eine (geschauspielte) Vermischung zwischen äusseren und inneren Aussagen. Darum wird das Reich der Himmel, die Durchmischung (Ausbreitung) des Evangeliums in dieser Welt, nicht nur positive, sondern auch heuchlerische Ausgestaltungen finden – vielgesichtige, verlogene wie die babylonische Sphinx: Nach aussen hin gut organisierte Gottesdienste, nach innen hin Leere. Nach aussen gezeigte Bruderschaft, nach innen Machtkämpfe. Nach aussen gezeigte Offenheit, nach innen enge Lieblosigkeit. Nochmals zum Beispiel Sexualität: Die Sünden wie Geiz, Unversöhnlichkeit, Neid und dergleichen werden weitaus weniger «von der Kanzel geächtet» als Vergehen im geschlechtlichen Bereich. Oder: Hartherzige Leiter gibt's zuhauf in den freien Gemeinden. Und heimliche Hurer vielleicht einige mehr, als man denkt. – Aber einem «ertappten » Sexsünder selbst nach seiner Busse (Umkehr) wieder öffentlich Vertrauen auszusprechen, geschieht selten. Oder wie wäre es mit einem Homosexuellen in einer Leiterschaft? Undenkbar, auch wenn er die besten Charaktereigenschaften hätte und nicht «werben» würde für seine Lebensweise. Nochmals: Es geht hier nicht um Rechtfertigungen, sondern um Denkanstösse. Wenn wir uns immer wieder neu Gott in einer echt erlebten Beziehung «aussetzen», so wird er uns vor den Auswüchsen der Heuchelei, der babylonischen Vermischung im Geist, bewahren.

Zweites Tier: der Bär
Das persisch-medische Reich gleicht einem gefrässigen Bären, auf einer Seite nach Bärenart höher aufgerichtet. Dies deutet an, dass Persien stärker war als Medien. Der Bär frisst viel Fleisch. Dieses Reich dehnte sich durch seine Eroberungskriege viel weiter aus als Babel und «verschlang» somit viel Fleisch. Der persisch-medische Geist hat – symbolisch gesehen in Daniel 2 – mit Geld und Handel zu tun. Da merken wir auf: Wie die letzten Kriege in Kuwait, Afghanistan und im Irak haben Eroberungskriege auch heute mehr wirtschaftliche Hintergründe, als von den kriegführenden Par-teien zugegeben wird. In unseren europäischen Breitengraden kommt der geistlich gedeutete Aspekt der unzähligen Wirtschaftsopfer hinzu: die Entlassenen, Arbeitslosen, Ausgesteuerten und psychisch Ruinierten, die nach langen treuen Dienstjahren dem Moloch Gewinnmaximierung geopfert wurden. – Der Bär «Wirtschaft» frisst viele Menschen!

Drittes Tier: der Panther
Der Panther deutet auf das griechische Weltreich hin, das Alexander der Grosse in kürzester Zeit eroberte. Schneller noch als ein normaler Panther rennt, denn er flog mit vier Flügeln, seinen vier Feldherren, die auch nach seinem Tod als «vier Köpfe» dargestellt werden. Die zeitgeistliche Entsprechung weist auf die Schnelligkeit unserer Gesellschaft hin. In jeder Hinsicht muss alles heute «fliegen». Die elektronische Vernetzung unseres Planeten zeigt es am deutlichsten. Nachrichten aller Art reisen jeden Tag milliardenfach hin und her. Das tägliche Arbeiten wird oft zur Hetze, im Verkehr sieht es ähnlich aus. Geduld wird zur verlorenen Tugend unserer Zeit! Alles soll sofort machbar und erhältlich sein. Anschaffungen? Ja, sofort! Kein Geld? Wozu gibt es denn Kreditinstitute? Dieser Lebensstil bringt Stress, Stress macht krank – aber die nötige Heilung muss auch «subito» (schnell) geschehen! So ersetzen Medikamente die Bettruhe. Das Lebensrad dreht sich immer schneller ... und macht ... Lärm! Lärm überall, nicht nur bei den ewigen Baustellen. Wenn Geduld zur verlorenen Tugend wird, dann wird Ruhe zum verlorenen Gut, Stille und Besinnung zu Luxus. Doch am schlimmsten ist die innere Unruhe, die wohl heute jeder empfindet, wenn er Ruhe zulässt. Da hätten wir Christen Alternativen: periodischer Rückzug in die Abgeschiedenheit und Stille vor Gott, innere Kraft tanken, Lebensformen überdenken, Gemeinschaft mit Gottes Geist suchen!

Viertes Tier: zehn Hörner und eiserne Zähne
Nach Nebukadnezars Traum waren es fünf Weltreiche. Da aber von Daniel kein fünftes Tier gesehen wird, achten wir genau auf die Aussagen hier im Text.Es werden zwei Reiche, die beiden letzten, miteinander gesehen. Ein «schreckliches » Tier! Alle schrecklichen Charaktereigenschaften aller Weltreiche scheinen sich in diesem Tier zu konzentrieren. Mit eisernen (siehe obengenannte Eisen-Symbolik) Zähnen zermalmt und frisst es alles. Und mit seinen Füssen zertritt es das Übrige. Das Eisen und die Füsse geben den vergleichenden Hinweis zu Daniel 2. Die zehn Hörner weisen weit in die Zukunft: zu Offenbarung 13,1-2. Dort taucht dieses Tier wieder in der Vision von Johannes auf: als Chimäre (= Mischwesen) aus Löwe, Panther und Bär. Auch bei diesem Tier sieht Daniel Menschenaugen und einen Mund, der prahlerisch redet. Viele Ausleger sehen hier einen Hinweis auf den kommenden Antichristen, der dieses letzte Weltreich anführen wird. Nach diesem allen schaut Daniel ein grosses Gericht, ähnlich wie ja auch im Traume Nebukadnezars die Weltreiche ins Gericht – in die Zerstörung – kommen.

Zusammenfassende Interpretation der Symbolik nach Daniel 7

Der Zeitgeist setzt sich aus Komponenten zusammen, die in ihrem Wesen raubtierhaft sind. Selbst das Humanistische, das scheinbar Gute, wird uns eines Tages zerreissen. Wer würde heute gerne auf den Segen der persönlichen Freiheit verzichten, den ihm – scheinbar – die Menschenrechte bieten? Wer im Westen wollte nicht in einer Demokratie leben? Die Liste der Fragen liesse sich leicht verlängern, doch wer denkt dabei, dass wir mit unserem Zeitgeist auf eine antichristliche Weltordnung zusegeln? Die Neue Weltordnung (New World Order) hat schon längst begonnen!

Demokratie und Toleranz sind Schlagworte der Mächtigen in der westlichen Welt. Jedoch zeigten die demokratischen Beschlüsse von Senat und Kongress in den USA nach dem 11. September 2001 ein anderes Gesicht. Unter dem Schock der Ereignisse (siehe obengenanntes Stichwort «Philosophie und Emotionen») wurden Kontroll- und Überwachungsgesetze durchgebracht, die vorher vermutlich Jahre an politischem Tauziehen gebraucht hätten. Diese Kontrollgesetze werden nun anderen Staaten und ihren Bürgern aufgezwängt. Wer einen tieferen Einblick in die neuen Gesetze der EU nimmt, entdeckt dort – Stichwort «Kriminalitätsbekämpfung» – alles andere als demokratische Freiheiten oder gar rechtsstaatlichen Schutz der Bürger. Die raubtierhaften Züge aller Weltreiche vereinigen sich im letzten Weltreich: «Das Tier» steigt aus dem Völkermeer auf (Offenbarung 13,1 ff.).

Der Zeitgeist lehrt uns ...

... dass wir uns mit unserer Zeit auseinander setzen müssen. Es ist mehr denn je geboten, der Herausforderung des Zeitgeistes zu begegnen, mit all unserem Denken und Handeln. Wir alle sind davon umströmt. Als Christen sollten wir diese Tatsache nicht sofort abweisen, sondern mit Weisheit und Verständnis zu durchschauen suchen, mit Geduld und Glaube dem Zeitgeist zu widerstehen lernen. Das rät uns Johannes im letzten Buch des Neuen Testamentes, in der Offenbarung. Diesem Rat möchte ich folgen.

Daniels Überlebensstrategie

Daniel selbst lebte inmitten des gottlosen babylonischen Systems, konnte jedoch auch darin Gott erfahren und ihm dienen. Dafür war er vier Überzeugungen treu, die auch wir in unserer Zeit beherzigen können:

Erstens hielt sich Daniel aus der babylonischen Götzenvermischung heraus. Wo immer ich heute eine solche in meinem Umfeld «rieche», werde ich vorsichtig. Moderne Götzen kommen meistens via Medien daher, via Modeströmungen und verführerisches Verhalten. Die Angebote Babylons wollen gut auf das 'Kleingedruckte' untersucht werden! Ein bewusst einfacherer Lebensstil als den der Umwelt hilft sehr dabei, die Geister zu unterscheiden. – Ich mache aber auch nicht jede neue Welle bei meinen Glaubensgeschwistern mit. Viel Babylonisches schleicht sich in die Versammlungen ein. Jedoch mit Urteilen darüber warte ich zu. Unterscheidung braucht oft Zeit: «An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.»

Zweitens suchte Daniel Gemeinschaft mit Gleichgesinnten (Daniel 2,17-18) und tauschte sich mit ihnen aus, suchte Ermutigung und Korrektur.

Drittens war Daniel ein Mann der Schrift (9,2) und verglich sie mit dem Zeitgeschehen. Jesus war traurig über die Leute seiner Zeit, die nicht forschten und die Zeichen ihrer Zeit nicht erkannten (Lukas 12,56 und 19,42-44). Ich bin überzeugt, dass sich Hebräer 5,14 praktisch im Leben auswirkt. Ich zitiere frei: «Wenn man die Gewohnheit hat, in der Bibel zu lesen und darüber zu sinnieren, wird man lernen, Gutes und Böses zu unterscheiden.»

Viertens war er der «Obrigkeit untertan», wie es in etwas altmodischem Deutsch heisst. Das heisst für mich, dass Römer 13, das neutestamentliche Kapitel dazu, immer noch zu beachten ist. Dem Staat kann ich dort gehorchen, wo er nichts Unmoralisches oder Ideologisches/Religiöses von mir verlangt. Ich kann durch Offenheit und praktizierte Nächstenliebe ein Zeuge des Evangeliums Jesu Christi sein. Daniel ging viel weiter als mancher von uns: Er diente Herrschern in despotischen Staatsgefügen und beeindruckte sie durch seine Glaubenshaltung. Widerstand leistete er nicht umstürzlerisch, sondern moralisch. Seine Treue, sein Charakter, sein Glaube – damit «evangelisierte » er.