Propheten - heute

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Schon in der Sonntagschule hatte ihr Donnern bei manch einem Furcht und Bewunderung ausgelöst: Propheten wie Elia, Elisa und Jeremia, die allein in staubigen Sandalen durch Judäa und Israel wanderten, jedem korrupten König das Gericht androhten und das Volk zurück zu Gott riefen.

Seit dem Pfingsttage hat sich der prophetische Dienst verändert. Jesus , Petrus und Paulus betonen, dass jeder Gläubige das Reden Gottes vernehmen kann, an den prophetischen Gaben des Heiligen Geistes teilhat, ja, für die gegenseitige Ermutigung danach streben soll und darf. Während das prophetische Reden zur Zeit der Apostelgeschichte noch zum normalen Gottesdienst gehörte, verschwand es mit dem Aufkommen der Amtskirche aus dem allgemeinen Blickfeld. Heute wird die ausgestorben geglaubte Geistesgabe auf breiter Basis wiederentdeckt und gefördert. Dass es dabei auch "menschelt", Fehler passieren, und Jesu Warnung vor falschen Propheten nach wie vor gilt, darf uns nicht davon abhalten, das echte Prophetische zu suchen und von bewährten Menschen zu lernen, die in diesem Dienst stehen.

Eine Umfrage unter bekannten prophetisch dienenden Menschen gibt persönliche Einblicke in die Vielfalt des prophetischen Dienstes und zeigt, wie ein gesunder Umgang damit aussehen kann.

Diese folgenden Berichte sind aus der Zeitschrift ' Christliches Zeugnis' von 'Campus für Christus' übernommen.
Aus der Nummer 4/2002 'Wille und 'Vision'.

Doug (77) und Beryl Maskell (75), Geschäftsmann, Bibellehrerin und Beraterin. Elim Church (Neu Seeland) und Calvary Chapel (Kalifornien)
Doug Maskell:
Die Wurzeln des Prophetischen in meinem Leben reichen weit in meine Kindheit zurück; lange Zeit, bevor ich zu diesem Dienst berufen wurde. Bei meiner gläubigen Grossmutter lernte ich zu beten und Gottes Wort zu hören . Aus erster Hand erlebte ich mit, wie Gott ihre Gebete beantwortete und zwar genau bei den Personen, für die sie gebetet hatte. Als ich zwanzig Jahre alt war, legte mir Gott eine Leidenschaft für das Gebet ins Herz. Ich versuchte von ganzem Herzen, ihn besser kennen zu lernen und seine Stimme aus dem Wort und im Gebet zu hören. Das erste Mal, dass ich prophetisch in das Leben einer anderen Person sprach, geschah in einer Hausgruppe unter Freunden. Ich spürte von Gott den Auftrag, zu einem Mädchen zu gehen und sie zu fragen, ob ich sie segnen dürfe. Als ich den Mund öffnete, sagte ich Dinge, die ich nicht geplant hatte. Als der Abend vorbei war, kam sie zu mir und sagte: "Du hast heute Abend meine Gebete beantwortet." Ich erwiderte: "Es war der heilige Geist, der durch mich sprach." Seither suche ich zusammen mit Beryl, bei jeder passenden Gelegenheit, für Menschen zu beten und sie zu segnen.

>Beryl Maskell:
Es liegt Gott auf seinem Vaterherzen, mit seinen Kindern zu kommunizieren. Und er tut dies, wann und wo immer er einen offenen Kanal hat. Wir können höchstens sein Reden überhören, weil wir mit anderen Dingen beschäftigt sind. Der Schwerpunkt unserer prophetischen Arbeit ist, Menschen zu ermutigen, die Möglichkeiten zu sehen und nicht die Probleme. Menschen aufzufordern, Gottes Stimme selber zu suchen und zu hören. In diesem Dienst haben wir schon vielen tausend Leuten gedient, darunter Berufsleute, Pastoren, Lehrer, Teenager, Kinder und Studenten, vielen davon in der Schweiz und in Deutschland.

>Doug Maskell:
Wenn wir Menschen mit der prophetischen Gabe dienen, sei es eine kleine Gruppe oder ein Raum voller Menschen, schauen wir auf den himmlischen Vater, ob er jemanden im Fokus hat (wie durch den Sucher einer Kamera), alle anderen werden dabei unscharf. Mit dem Wort geben wir eine bestätigende Bibelstelle weiter, so dass wenn sie unsere Worte vergessen, sie auf dem Wort Gottes aufbauen können.

>Beryl Maskell:
Bei diesem Gebetsdienst gilt: Übung macht den Meister. Es begann mit dem Segnen von jemandem, und wir fuhren einfach weiter, jede Gelegenheit zu nutzen, für Leute zu beten – dabei wurde die "prophetische" Wahrnehmung klarer und klarer. Gott legt uns oft, während wir sprechen, die Worte in den Mund, die wir sagen sollen. Heute sehen wir die Früchte dieser Arbeit in Form von veränderten Menschen: Junge Männer und Frauen, die heute als Erwachsene in wichtige Positionen hineingewachsen sind.

>Doug Maskell:
Natürlich erfüllt sich ein prophetisches Wort nicht automatisch. Es muss vom Empfänger angenommen und im Gebet bewegt werden. Ein prophetisches Wort ist immer an Bedingungen geknüpft. Diese kommen meist klar zum Ausdruck durch die Bibelstellen, welche die prophetische Botschaft begleiten. In dem Gebetsdienst, den Gott uns anvertraut hat, geben wir in der Regel weder Anweisungen noch Korrektur, sondern Sichtvermittlung, Ermutigung und Auferbauung. Wenn Gott mir bei Menschen Dinge zeigt, die eine ganze Organisation betreffen, informiere ich immer die verantwortlichen Leiter und mache sie auf kritische Aspekte aufmerksam.

>Beryl Maskell:
Manchmal haben wir auch kein Wort, dann sind wir aufrichtig genug, zu sagen, dass wir zur Zeit nichts haben. Wer in den prophetischen Dienst kommen will, braucht eine Leidenschaft fürs Gebet – eine Leidenschaft das Wort Gottes zu lesen, gehorsam zu sein, das Herz eines Dieners zu haben und lernwillig zu sein. Wir haben ein kleines Buch geschrieben, das diesen Aspekt klar beschreibt ("Strebet eifrig nach der Gabe der Prophetie!" -Koinonia-Verlag – die Red.).

Andrea Xandry (58), früher Werbefachmann und Pastor, heute Mentor, Bibel- und Griechischlehrer
Die prophetische Gabe zeigte sich bei mir zu einer Zeit, in der ich nicht einmal wusste, was das ist. Es war in einem Gottesdienst, ungefähr sechs Monate nach meiner Hinwendung zu Jesus Christus. Während der Predigt "überkam" mich plötzlich eine Kraft. Ich war wie "unter Strom". Eine innere Stimme sprach zu mir: Steh auf und rede! Ich tat es und rief laut den Text aus Johannes 4,35 in den Saal. Ich wusste aber nicht, dass es ein Bibelvers war. Die Leute erschraken - ausser dem Prediger. Der nahm sich meiner an und wurde mein geistlicher Vater. Die prophetische Gabe zeigte sich am Anfang meist sehr spontan. Nach und nach merkte ich, dass sie sich personen - und situationsbezogen äusserte. Gott spricht im wesentlichen durch kurze, prägnante Informationen zu mir. Früher "kamen" diese ungefragt, heute frage ich ihn im Gebet danach, wenn nötig.
Dies ist jederzeit möglich und ich erhalte so gut wie immer Antwort, meist in Form von Gesichtern (Bildern), stehend wie Photos oder sich bewegend wie im Film. Oft aber auch durch Worte, die ich innerlich, gedanklich höre. Oder es kommen Informationen, Dinge, die ich plötzlich weiss.
Ich nehme Gottes Reden überall wahr: Im Gespräch mit suchenden Menschen, während der Verkündigung, beim Schauen aus dem Zugfenster oder beim Lesen der Bibel und anderer Lektüre. Eigentlich können mich Botschaften überall erreichen. Von 1972 bis 1999 erhielt ich meistens Botschaften für Einzelpersonen, Personengruppen, Gemeinden Firmen. Ab dem 26. 12. 1999 sprach Gott zu mir bezüglich der Nation und des ganzen Kontinents. Das geschah bis heute (Juli 2002) dreimal, und die Gesamtheit dieser drei Male veröffentlichte ich in meinem Buch "Gemeinde im Sturm".

Wenn ich nicht weiss, für wen die Botschaft ist oder wie ich damit umgehen soll, frage ich Gott präzise und erhalte präzise Antworten. Beim Erforschen von Gottes Meinung zu einer Sache ist es jedoch von Vorteil, den ganzen Sachverhalt zu kennen. Will die Person, die meine prophetische Gabe in Anspruch nimmt, aus gewissen Gründen nichts zur Sache sagen, muss sie die Antwort auch alleine vor Gott bewegen.

In der Regel bilden sich die Botschaften bei mir im Innern, im Geist oder im Gemüt. Ich sehe, höre und spüre innerlich. Dann spreche ich es aus zur Beurteilung des oder der Menschen, die um mich sind. In meinen Eindrücken glaube ich selten geirrt zu haben. Ich erinnere mich nur an zweimal in 30 Jahren. Doch bei der Suche nach der Auslegung der Eindrücke irrte ich mich bestimmt schon öfter - zusammen mit anderen! Ich lege stets mit anderen zusammen aus, stelle somit alles zur Prüfung. Somit liegt auch die Verantwortung auf mehreren Schultern. An eine "richtiggehend falsche" Botschaft erinnere ich mich nicht. Allerdings bin ich auch sehr vorsichtig mit Prophetien. Besonders solche, die Gerichte, Heilungen oder datierte Ereignisse zum Inhalt haben. Das echte, wichtige prophetische Wort fällt oft nebenbei und da, wo man nicht einmal so recht weiss, was das eigentlich ist!

Ich gebe seit 1985 prophetische Schulungen und führe meine Schüler behutsam in ihren Dienst ein. Drei Hauptratschläge für Menschen, die weiterkommen wollen:
- Willst du geistlich sein, sei zuerst natürlich!
- Fehler machen alle, selbst grosse Propheten (siehe als Beispiel Jesaja 38,1-5!), hab also keine Angst vor Fehlern!
- Sei stets vorsichtig und zurückhaltend mit "prophetischem Reden"; du brauchst viel "Fingerspitzengefühl" und solltest stets Römer 12,3+6 vor Augen halten!

Robert Rüegg (82), ehemaliger Gymnasiallehrer, evangelisch-reformierte Landeskirche, begleitet Menschen als Berater.
Ein Wort voraus: "Prophetie" heisst im heutigen Deutsch Prognose und nicht wie 1. Korinther 12-14 vorab "Diagnose mit Therapie"; darum rede ich von "Eingebung".
In einer langen, ärztlich unerklärten seelisch-geistlichen Lähmung erhoffte ich mit meiner Frau Hilfe von den Gnadengaben des Neuen Testaments. Unserem "Ja" zum vollen Empfang des Heiligen Geistes und dem Verkauf unseres Hauses (um Zeit zu gewinnen für innere Erfahrung) folgte ein Jahr der Reinigung. 1969 brach die Gabe der Eingebung auf, veranlasste die Bildung einer gabengemässen Hausgruppe und führte zum Auftrag, vollzeitlich - und im allgemeinen zu zweit - Christen zu beraten.

Bis heute dient diese Gabe der Eingebung am meisten für Entscheidungen, die meine Frau und ich zu treffen haben und die wir nicht aus den biblischen Grundsätzen ableiten können (1. Korinther 6,12b; 10,23-24). Auch wenn Ratsuchende uns bestimmte Probleme vorlegen, erwarten und erfahren wir (nach Aussprechen alles Pro und Contra) Hinweise für den Fragenden.
Eindrücke kommen zuweilen als Gefühl, etwa ein freudiges "Ja" oder "Etwas stimmt nicht"). Bei mir herrscht Sprachliches vor: Bibelzitat, Liedvers, Stichwort, Einzelsatz, kurzer Text (das nur beim Reden aus Eingebung in einer dafür offenen Gruppe). Diese Eindrücke sind leise, klare Gedanken, selten wie von jemandem gesprochen. Hie und da erlebe ich deutliche Träume oder, in Gemeinschaft und im Wachzustand, bildliche Eindrücke. "Botschaften" für ganze Kreise, Kirchen, Völker habe ich nie erwartet und empfangen. Als Dienst in der Gemeinde half die Eingebung - neben Erfahrung -, Einzelnen oder Paaren beizustehen, zum Beispiel für Partnerschaft, Gemeindedienst, Depression. Mit abnehmender Gesundheit beschränkte sich dieser Dienst aufs Begleiten einiger Vertrauter. Als der erste Ratsuchende unter anderem eine sehr wichtige berufliche Alternative vorbrachte, "wusste" ich, was er tun sollte, aber dass ich das nicht sagen durfte – bis er zusammen mit seiner Frau (so) gewählt hatte; sonst wäre er von mir abhängig geworden.

Eingebungen sind oft Seelsorge an der eigenen Seele. Manchmal kommen in Eindrücken oder Träumen bekannte Menschen vor; die Szene passt aber gar nicht zu ihrem aktuellen Dasein (weil sie zum Beispiel schon gestorben sind). Hier geht es um verschiedene Wesensseiten des Empfängers. Betrifft der Eindruck und seine Deutung klar eine andere Person oder eine ganze Gruppe, prüfe ich, ob das ihr mitzuteilen oder "nur" ein Auftrag zur Fürbitte ist, wobei es sehr darauf ankommt, wie vertraut wir miteinander sind. Kommt die Eingebung in einer Gemeinschaft, ist sie dort mitzuteilen und zu prüfen (1. Korinther 14,29).
Beim Prüfen gilt zunächst die Frage: Ist der Eindruck bibelgemäss? Doch dieses Kriterium allein erfasst nicht alles. Die Deutung eines fremden Eindrucks, zum Beispiel eines Traums muss dem Empfänger einleuchten und dienen. Je gewichtiger die Mitteilung und ihr Adressat (ich selbst, jemand Nahestehender, eine Gruppe, usw.) ist, desto mehr Prüfung braucht es: durch den Partner, den Hauskreis, die Dienstgruppe, das Leitungsteam (zum Beispiel bezüglich einer Lehrfrage an einer Tagung).

Da unsere Erkenntnis Stückwerk ist, ist gelegentliches Irren unvermeidlich (1. Korinther 13,9). Beim Deuten von Bildern irrte ich anfangs, wenn ich etwas Konkretes "wörtlich" statt symbolisch auffasste, zum Beispiel das Bild einer Totenurne als Warnung vor dem körperlichen statt dem geistlichen Sterben interpretierte. Wo so etwas seltenerweise jemandem mitgeteilt und wichtig wurde, galt es zu berichtigen. Im übrigen kann eine Mitteilung auch darum nicht eintreffen, weil der Empfänger sie missachtet (vgl. Römer 10,21).

Was tun, wenn keine oder nur widersprüchliche Eingebungen kommen?, In nicht dringenden Fragen empfehle ich, eine Reifezeit abzuwarten. Drängt eine Entscheidung, ist es gut, die möglicherweise zu enge Fragestellung zu erweitern, weil Gott vielleicht weder A noch B, sondern C anweisen will. Es gilt auch zu prüfen, ob mein/unser Verhältnis zu Gott und den Betroffenen nicht in Ordnung ist. Manchmal ist es gut, jemand Bewährten beiziehen; oder zu entscheiden und Gott zu bitten, notfalls verhindernd einzugreifen.

Bezüglich des Redens aus Eingebung besteht ein berechtigter Nachholbedarf. Andererseits schlägt das Pendel oft ins entgegengesetzte Extrem aus, indem 1. Korinther 12,10+29 sowie 1. Petrus 4,15b missachtet wird aus individualistischer oder nationalistischer Selbstüberschätzung. Beispiel: Der in der Drogenhilfe so gesegnete David Wilkerson veröffentlichte 1973 ungeprüft eine "Vision" der Weltlage und sagte darin für Europa Dinge als sicher voraus, die teils von der Geschichte schon widerlegt waren, teils 1989 sich als unsinnig erwiesen.