Urtextperle ANAKAINOSIS - Hinauferneuerung

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'Alles neu macht der Mai' - ein altes, aber stets neues Bonmot. Der Frühling erneuert auch unser Gemüt. Mit neuem Mut, neuem Schwung in vielen Plänen: Erneuerungen spriessen wie Maiglöckchen. Gut so. Leider zeigt sich allzu bald, dass "Erneuerungen" oft keine "Neuerungen" sind und somit das wirklich Erwünschte nicht erreichen. Dies sieht man sogar in vielen deutschen Übersetzungen des griechischen Neuen Testamentes. Dort wird das Wort ANAKAINOSIS mit "Erneuerung" übersetzt (wie zum Beispiel im Römerbrief 12,2). Aber die genauere Übersetzung von ANAKAINOSIS in diesen Texten weist auf eine tiefere Wahrheit hin, nämlich auf eine "neue Erwerdung", auf ein wirkliches "Neu-machen"! Diese Feinheit geht auch auf einen Unterschied zwischen zwei griechischen Worten zurück, die beide auf deutsch mit "neu" übersetzt werden: NEOS und KAINOS. NEOS steht für Neues aus "Erneuerung" und KAINOS für Neues als "Neuerung", das wirklich neu ist und nicht aus Erneuerung entstanden ist. Unterteilen wir nun zusätzlich ANAKAINOSIS in die Silben ANA - KAINOS und IS, dann zeigt die Vorsilbe ANA (deutsch: auf/ hinauf) die Richtung der Neuerung an - nämlich nach oben zu Gott hin - und die Nachsilbe IS weist (grammatikalisch) auf die Dynamik der Neuerung hin.

Im erwähnten Text des Römerbrief steht: "Und seid nicht gleichförmig diesem Äon (Zeitgeist, Zeitlauf, Welt), sondern werdet verwandelt durch die "Erneuerung" eures Sinnes (Denksinn, Denken)...". Wenn man dies nur als "erneuert" versteht, bliebe ja das Denken in sich wiederholenden Bahnen! Bei einem Neu-machen dagegen bewegt es sich auf wirklich neuen Bahnen. Erst mit diesem Verständnis kommt der Ausdruck "ANAKAINOSIS" zur vollen Bedeutung im Sinne des Neu-machens unseres Denkens und leitet uns folgerichtig zum zweiten Teil des Textes im Römerbrief 12,2: "...dass ihr prüfen möget, was der Wille Gottes ist - der gute, wohlgefällige und vollkommene". (Siehe auch 'Gottes vierfacher Wille').

Das dazugehörige Verb ANAKAINIZOO finden wir in 2.Korintherbrief 4,16: "Darum werden wir nicht müde, sondern ob auch unser äusserer Mensch verfällt, so wird doch der innere von Tag zu Tag erneuert (ANAKAINIZOO)". Diese Aussage ist eine starke Ermutigung. Dennoch, genauer betrachtet, wird hier mit dem Ausdruck "erneuern" ein erstaunlicher Vergleich gezogen: Entspricht der Verfall des äußeren Menschen der Erneuerung des inneren Menschen? Altert der sichtbare Körper so, wie der unsichtbare jünger wird? Im gleichen Verhältnis? Das kann wohl kaum so gemeint sein. Darum ergibt sich erst mit der genaueren Bedeutung von ANAKAINIZOO der tiefere Sinn: Der innere Mensch wird nicht "mit Mass" erneuert, sondern NEU-GEMACHT. Er ist in Christus eine völlig "NEUE" Schöpfung, eine "KAINÄ" Schöpfung (2.Korintherbrief 5,17). Gott bewirkt durch den Glauben keinen erneuerten (NEOS) Menschen, sondern einen wirklich neuen (KAINOS) Menschen.

Im Römerbrief 12,2 spricht Paulus mit dem Ausdruck ANAKAINOSIS alle Gläubigen an. Titus jedoch, einen seiner geistlichen Söhne, ermutigt er ganz persönlich damit. Er schreibt ihm (Kapitel 3,5), dass Gott mit der Errettung auch das Neu-machen, die ANAKAINOSIS schenkt. Es ist ein Werk des Heiligen Geistes, Gottes Windhauch - ein Hinauferneuern zu ihm hin, das in einen immerwährenden neuen Frühling weht, mehr als der schönste Mai es vermag.