Urtextperle PEITHO - überzeugen, vertrauen

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Vertrauen ist schwer. Darum sagen wohl einige "Kontrolle sei besser als Vertrauen". Ich erinnere mich an ein Sprichwort aus Opa's Schatzkiste: "Trau, schau, wem". Treffend gesagt. Das überzeugt mich - ergänzen sich nicht "Vertrauen und Kontrolle" oder "Vertrauen und Zweifel" in zwischenmenschlichen Beziehungen (siehe Artikel "Zweifeln im NT")? Und wie sieht die Frage in einer Beziehung zu Gott aus? Wenn man Gott in seiner Treue kennenlernen will, sollte man ruhig auch "trau, schau, wem" bei ihm anwenden - er würde selbst unser Zweifeln an ihm oder seinen Wegen nicht übelnehmen und die Glaubensbeziehung mit uns wachsen lassen.

Ungläubige oder Unüberzeugte

Sogar die antiken Griechen riefen die Gottheit PEITHO an, die bei Überredung, Überzeugung und Vertrauensbildung nachhelfen sollte. Im Neuen Testament kommt das Verb PEITHO oft vor, mit mehreren Wortverbindungen. PEITHO heisst "vertrauen, überzeugen, gewinnen" und auch - durchaus positiv gemeint - "gefügig machen". PEITHO ist ein Vertrauen, das durch Überzeugung entsteht, das "gewonnen" wurde (wie man auch in unserer Umgangssprache sagt: "Er gewann mein Vertrauen").

Apropos Wortverbindungen zu PEITHO: Nehmen wir APEITHÄS (als einem sich aus "A" und "PEITHO" ergebendem Wort), das eine vielseitige Übersetzungsmöglichkeit anbietet. Im Lukasevangelium 1,17 wird APEITHÄS in mehreren Bibelübersetzungen mit "ungläubig" oder "ungehorsam" übersetzt. Man lese diesen wichtigen Vers, denn er nimmt ein Zitat der letzten prophetischen Rede des Alten Testaments auf (Prophet Maleachi, letzte Verse) und ist ein Bindeglied zum anbrechenden messianischen Zeitalter. Dort geht es um eine Herzensveränderung der Generationen, um eine Zuwendung der Alten zu den Jungen. Und der Jungen zu den Alten. Leider kommen in der sich umkehrenden Analogie die Jungen als "Ungläubige, Ungehorsame" schlecht weg. Schade.
Denn sind sie das? Ist nicht eine jeweilig junge Generation eher eine fragende und andere Wege suchende als eine a priori "ungläubig" zu benennende Generation? Im Lukas Urtext könnten sie auch "Unüberzeugte" genannt werden...das gäbe dort dem Wort APEITHÄS einen anderen "Klang", eine positivere, andere Bedeutung.

Als ich diese Bedeutung vor Jahren realisierte, änderte sich meine Haltung Menschen gegenüber, die ich als "gläubiger" Christ leichtfertig "ungläubig" nannte, nur weil sie meine Art des Glaubens nicht teilten. Ich sah sie danach lieber als "nicht Überzeugte" an, als Menschen, die (noch?) nicht für den Glauben "gewonnen" waren. Es veränderte meinen sozialen Umgang.

Gotteswort oder Menschenwort

Ein anderes Beispiel aus der Wortfamilie von PEITHO ist PEITHARCHEIN im Text Apostelgeschichte 5.29, den die Luther Bibel folgendermassen übersetzt: "Man muss Gott mehr gehorchen (PEITHARCHEIN) als den Menschen". Das Wort "gehorchen" hier zu gebrauchen, macht durchaus Sinn. Aber da es im NT auch andere Ausdrücke für "gehorchen" gibt, sollte man hier genauer übersetzen - denn hier wird der Stamm PEITH aus PEITHO mit ARCHEIN erweitert.

ARCHEIN wiederum ist leicht erkennbar mit ARCHÄ verwandt, dem Wort für "Anfang" (siehe Johannesevangelium 1,1: "im Anfang war das Wort ...", auf griechisch "EN ARCHÄ..." ). Somit sollte man eigentlich im Text Apostelgeschichte 5,29 den Ausdruck PEITHARCHEIN besser in seiner genaueren Bedeutung berücksichtigen und mit "Anfang" oder "anfänglich" präzisieren. Der Text hiesse dann: "Man muss Gott anfänglich mehr gehorchen als den Menschen". Aber da PEITHO mehr "vertrauen,überzeugen" als "gehorchen" heisst, wäre die bessere, freie Übersetzung: "Man muss Gott von Anfang an stets mehr vertrauen, wenn man von seinen Worten überzeugt wurde". Die freie Übersetzung erklärt - meiner Meinung nach - auch gut den Textzusammenhang: die Apostel waren überzeugte, von Gottes gewonnene Zeugen und erklärten dem Rat (dem Synedrium), dass sie dem Redeverbot der Obrigkeit nicht gehorchen können, weil ihnen Gott vorher ("anfänglich") aufgetragen hatte, "Worte des Lebens" dem Volk weiterzugeben und nicht zu schweigen.

So entschieden sie sich für den ersten Auftrag, den von Gott - und nahmen die Konsequenzen auf sich (Vers 40). Sie waren herzensüberzeugt, das Richtige getan zu haben. Wenn wir nun die beiden Beispiele von APEITHÄS und PEITHARCHEIN als Erweiterung unseres Titels "PEITHO - überzeugen, vertrauen" in unsere jeweilige heutige Zeit übertragen, sehen wir immer wieder viele "Unüberzeugte", die sich "offiziellen" Geboten nur ungern fügen, besonders dann, wenn ein Gebote der Obrigkeit im Gegensatz zu ihrem Gewissen oder zu ihrer Gottesbeziehung gehörenden "anfänglichen, grundlegenden" Überzeugung steht.

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